Fernsehen

So soll ATV gesund werden

Nur mehr ein paar Monate wird ATV in diesem Büro an der Aspernbrückengasse sein.
Nur mehr ein paar Monate wird ATV in diesem Büro an der Aspernbrückengasse sein. ATV
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Der Privatsender ATV gehört nun fix zur Senderfamilie von ProSiebenSat.1 Puls4-Gruppe. Das Programm wird schon ab Mai sanft verändert und soll Puls4 nicht Konkurrenz machen.

Lange mussten alle Beteiligten Stillschweigen bewahren. Seit Freitagnacht Null Uhr darf der neue Eigentümer von ATV mit dem Sender schalten und walten wie er (und die Wettbewerbsbehörde) will. Und er darf vor allem darüber reden. Zur Erinnerung: Der 2003 gegründete, erste nationale Privatsender Österreichs suchte schon länger einen neuen Eigentümer. Weil der bisherige, Herbert Kloiber, nicht mehr bereit war, zehn Millionen Euro und mehr pro Jahr Verlust aufzufangen. Die Regulierungsbehörden genehmigten den Verkauf von der Tele München Fernseh GmbH & Co an die deutsche Fernsehgruppe unter erstaunlich milden Auflagen – und seit Freitag gehört ATV zur immer größer werdenden Sendergruppe ProSiebenSat.1 Puls4.

Deren Chef Markus Breitenecker präsentierte am Freitag unter anderem mit Informationsdirektorin Corinna Milborn, die gerade in die Geschäftsleitung aufgestiegen ist, was er mit ATV vor hat – und zwar in einem Puls4-Studio. Somit das erste sichtbare Signal einer Annäherung. Man wolle die Sender ATV und ATV 2 „wieder gesund machen“, so Breitenecker. Tags zuvor wurden die ATV-Mitarbeiter über die wichtigsten Neuerungen informiert. Dass sie ab sofort mit Thomas Gruber einen neuen Chef haben zum Beispiel, der bisher Teil der Führungsspitze von Puls4 war und nun Geschäftsführer und Programmchef von ATV wird und somit Martin Gastinger nach zehn Jahren ablöst. Oder dass bis Ende 2017 rund 70 Stellen des Kernteams abgebaut werden. Das ist nicht schön, die Alternative hätte aber heißen können, dass mit der Einstellung des Senders alle Mitarbeiter ihren Posten verlieren. Dass man diese Kürzungen nicht "so typisch österreichisch" sehen solle, daran appellierte Michael Stix, der Geschäftsführer von ProSiebenSat.1Puls4, kurz der CCO des Unternehmens. Breitenecker betonte, man wolle ATV erhalten und „auf ein gutes Niveau bringen". Wie das aussehen soll, skizzierte er mit seinem Team am Freitag so:

> Strukturell und räumlich werden die Sender zusammenwachsen, aber sie behalten ihre Namen. ATV siedelt spätestens im Herbst an den Standort von Puls4 im Mediaquarter Marx. Dort soll auch ein drittes Studio für den Sender gebaut werden. Die Sender werden bei der Vermarktung und der Technik stark zusammenarbeiten, auch die Presseabteilungen werden zusammengeführt.

> Aber... Ein Satz fiel am Freitag besonders oft: Die Redaktionen von ATV und Puls4 bleiben getrennt. Das war freilich die oberste Auflage der Wettbewerbsbehörde, zumindest für die kommenden fünf Jahre. Auch der Führungsebene, allen voran Corinna Milborn ist es wichtig, die redaktionelle Vielfalt zu erhalten. "Wir werden weiterhin verschiedene Redaktionen haben, die das politische Geschehen beleuchten." Aber Milborn ist ab sofort für die Information beider Sender zuständig, die Chefredaktion von Puls4 hat sie komplett an Florian Höllerl abgegeben. Die Information von ATV und Puls 4 bleibt getrennt, mit je einem Chefredakteur. "Es gibt Möglichkeit zum Austausch von Rohmaterial", sagt Corinna Milborn, "aber es entscheidet jeweils der Chefredakteur, was gemacht wird. Es gibt niemanden der ihnen reinredet."

> Personalabbau: Am Tag eins der neuen Zeitrechung für ATV sieht es so aus, dass 70 Mitarbeiter gehen müssen. Sieben Kündigungen hat der Voreigentümer Herbert Kloiber noch davor ausgesprochen, das war eine Vorbedingung für den Kauf. 80 Jobs werde man auf jeden Fall halten, und man gehe davon aus, dass es sogar mehr werden. Schließlich habe man bei Puls4 seit vielen Monaten keine Posten mehr nachbesetzt, womit auch dort einige Funktion frei sind.

ATV und Puls 4 "keine Konkurrenten mehr"

Wie viel im Vorfeld eines solchen Verkaufs bereits überlegt und geplant wird, kann man beim ATV-Deal sehr gut beobachten. Das Team hat schon sehr genaue Vorstellungen, wie man das Programm von ATV sanft verändern und in die Senderfamilie integrieren will. Weil ATV und Puls4 sind ab sofort "keine Konkurrenten mehr", sondern sollen sich ergänzen. Bereits ab Mai sollen die ersten Programmumstellungen passieren.

> Wer sendet was? ATV bleibt der Sender für eigenproduzierte Reportagen und Doku Soaps, wie "Das Geschäft mit der Liebe" oder "Bauer sucht Frau" (an zwei Hauptabenden die Woche) und Serien. Puls 4 Heimat für Spielfilme (vier Abende die Woche), Sport und Sitcoms. Information machen beide eigenständig, aber nicht wie bisherzur selben Zeit. Bisher sendete Puls4 am Montagabend sein "Pro & Contra" und ATV "Klartext" mit Martin Thür. Künftig könnte "Klartext" am Mittwoch statt am Montag laufen. Auf den Folien, die am Freitag präsentiert wurden, die aber nicht zur Verbreitung vorgesehen sind, zeigte sich, wohin man mit den Sendern hin will: Puls 4 näher an den ORF, mit ATV näher an RTL und Vox.

> Austria's Next Topmodel: ATV soll jünger werden und bekommt daher von Puls4 als "Morgengabe", wie die APA das treffend nennt, die Castingshow "Austrias Next Topmodel" überreicht. Die Staffel 8 der Produktion läuft ab Herbst dort.

> Nachrichten rund um die Uhr: Der neue ATV-Chef Thomas Gruber verspricht "News around the clock". Zwei News-Redaktionen würden jetz tfünf Sender bespielen (ATV, ATV 2, Puls 4, ProSieben, Sat1). 

> Sport: Auf ATV wurde der Sport ja bereits stark heruntergefahren, der Sender löste im vergangenen Sommer nach der Fußball-EM seine Sportredaktion auf. Der Sport wird auch künftig keinen Platz dort  haben, er bleibt auf Puls4. Die National Football League (NFL) will man als "Erfolgsformat auf Puls 4" jedenfalls behalten. Auch die UEFA-Bewerbe (Champions League und Europa League) "passen gut zu Puls 4 und sind sehr attraktiv". Allerdings habe man es im Bieterverfahren gegen die Öffentlich-rechtlichen und Pay-TV-Sender schwer, "und wir brauchen jetzt viel Geld, um ATV zu sanieren. Wir haben vielleicht nicht mehr die Summen zur Verfügung, die man dafür braucht." Die Europa League strebe man jedenfalls weiterhin an.

> Positionierung zum ORF: Markus Breitenecker nennt die Übernahme von ATV eine "Aufholfusion" gegen die Macht des ORF am Subventionsmarkt. Wie viel ihn diese Fusion gekostet hat, will er nicht sagen. Die Branche spricht von einer Zahl um die 20 Millionen Euro. Allergisch reagiert Breitenecker auf den oft gehörten Vorwurf des ORF, die Sendergruppe sei in deutscher Hand. "Wir sind in der Europäischen Union, dieses Argument ist lächerlich." Zudem würden auch andere größe Unternehmen, wie Banken teilweise im Eigentum ausländischer Unternehmen stehen. Statt sich gegenseitig zu bekriegen, sei es viel wichtiger etwas gegen die global agierenden "Silicon-Valley-Riesen" wie Google, YouTube, Facebook und Co. zu unternehmen. 

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