„4 Blocks“: Die Gangster von Neukölln

Clan-Oberhaupt Toni träumt von einem bürgerlichen Leben.
Clan-Oberhaupt Toni träumt von einem bürgerlichen Leben.(c) Turner Broadcasting System
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Die Serie „4 Blocks“, inszeniert vom Österreicher Marvin Kren, erzählt von den Machenschaften eines libanesischen Clans im Berliner Stadtteil Neukölln – und von einem Mafiaboss, der sich nach einem „deutschen“ Leben sehnt.

„You have to talk German. You live in Germany“, sagt der aufbrausende Araber mit der schwarzen Lederjacke zum Besitzer des neuen Craft-Beer-Lokals, ein Holzfällertyp mit rosigem Gesicht, der partout nur Englisch spricht. Wenige Augenblicke später steckt schon sein Kopf in der Abwasch. Strampelnd und prustend versucht er, sich zu befreien, aber der Araber ist stärker. Als dieser ihn wieder Luft holen lässt, ist die Botschaft angekommen: „Morgen kommen zwei Leute hier vorbei und bringen dir drei Automaten. Dann komme ich zweimal die Woche her und mache die Dinger leer. You understand?“ Der Barbesitzer nickt verängstigt.

„Ich hasse diese Dreckshipster“, sagt der Araber beim Verlassen des Lokals. Toni Hamady, der Anführer des Clans, sieht das gelassener: „Man verdient Geld mit denen!“ Als er später im Auto durch die nächtlichen Straßen rollt und arabische Klänge aus den Boxen tönen, wird er den Blick aus dem Fenster schweifen lassen und liebevoll seufzen: „Meine vier Blocks.“

„4 Blocks“, so heißt die neue Serie, die der österreichische Regisseur Marvin Kren (bekannt für die Horrorfilme „Rammbock“ und „Blutgletscher“) für den Bezahlsender TNT gedreht hat. Der Titel bezieht sich weniger auf das geografische Revier der libanesischen Gangstersippe (das ist viel größer) als auf ihre vier Geschäftsfelder: Drogenhandel, Spielautomaten, Schutzgelderpressungen, Prostitution.

Es ist eine Art Berliner Version von „Gomorrha“ oder den „Sopranos“, die hier in sechs Folgen erzählt wird. Eine Geschichte von Revierkämpfen, Intrigen, Familie und Verrat – verortet in Neukölln, wo die Gentrifizierung so schnell voranschreitet wie in kaum einer anderen deutschen Gegend. Die Serie ist sozusagen an Originalschauplätzen gedreht, ihr Hintergrund ist durchaus real: Der Berliner Tagesspiegel berichtete von zehn „einschlägig bekannten Großfamilien“ mit libanesischem Hintergrund, die in der deutschen Hauptstadt die Straßen untereinander aufteilen. Rund 200 Männer aus diesen Familien seien den Behörden als Mehrfachtäter bekannt. Die Ehre der Familie sei ihnen das Wichtigste, Polizei und Justiz seien ihnen egal: Eine Parallelgesellschaft.


Kinder und Kokain. Der Einblick in eine solche ist es wohl, der „4 Blocks“ so faszinierend macht. Ohne von Klischees ganz abzurücken – Gangsterästhetik, Goldketten, derbe Sprüche –, liefert die Serie aber ein nuancierteres Bild vom Clangefüge: Hier gibt es heimliche Feiglinge genauso wie hirnarme Schläger, kriminelle Ambitionen wie Abstiegsängste, prollige Gangsterbräute wie besorgte Mütter, die ihre Ehemänner anflehen, sich doch mehr um die Kinder statt um Kokainlieferungen zu kümmern. Ruhig inszeniert, mit einem treibenden Hip-Hop-Soundtrack und immer wieder unterbrochen von Kameraflügen über Wohnsiedlungen, in deren geometrischer Anordnung eine erstaunliche Schönheit liegt, erzählt „4 Blocks“ von den Machenschaften des Clans: Der besonnene Toni (wunderbar gespielt von Kida Khodr Ramadan, der selbst als Sohn libanesischer Einwanderer in Berlin aufgewachsen ist), versucht, die kriminellen Exzesse der Familie unter Kontrolle zu halten, während Lieferschwierigkeiten und die Polizei, die ihn mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, das Geschäft gefährden. Mit dem abgebrühten Deutschen Vince (Frederick Lau) taucht plötzlich ein alter Freund wieder auf – doch dieser spielt ein doppeltes Spiel . . .

Das ist ziemlich spannend, zuweilen geht es auch brutal zu. Der Clou: Toni (die Namensähnlichkeit mit dem Boss der Sopranos ist wohl kein Zufall) ist ein grundsympathischer Kerl, der zerrissen ist zwischen der Verantwortung für die kruden Geschäfte des Clans und seiner Sehnsucht nach einem ruhigen, sauberen, bürgerlichen Leben. Seit 26 Jahren wartet er auf seinen deutschen Pass. „Ich werd der deutscheste Deutsche“, verspricht er seiner Frau. „Ich werd Bürgermeister von Neukölln!“ Immerhin: Dessen Unterwelt beherrscht er schon.

„4 Blocks“ ist auf Sky zu sehen, eine zweite Staffel mit ebenfalls sechs Folgen soll noch Ende des Jahres kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2017)

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