Rot-schwarzer ORF-Deal

(c) Clemens Fabry
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Pröll-Favorit Grasl wird „auf Wunsch von Wrabetz“ Finanzdirektor. Warum wurde der Personalwechsel so plötzlich nötig? "Sissy Mayerhoffer will sich beruflich verändern", sagt ORF-Kommunikationschef Pius Strobl.

Auf „Wunsch von Generaldirektor Wrabetz“ bewirbt sich Richard Grasl, Chef des ORF-Landesstudios St. Pölten, als Kaufmännischer Direktor des ORF. Die Stelle ist just in jener Nacht vakant geworden, in der die Koalition sich auf ein ORF-Gesetz geeinigt hat. In wichtigen Punkten hat sich die SPÖ – z.B. mit einer 160-Millionen-Euro-Spritze bis 2013 für den ORF – durchgesetzt. Dafür gilt Grasl seit Monaten als Favorit des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll (ÖVP) für einen hohen Posten in Österreichs Medien.

Der Schluss liegt nahe: Grasl als Bedingung bei den Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien. Musste die SPÖ seinen Aufstieg akzeptieren, um die ÖVP von der Staatshilfe für den ORF zu überzeugen? „Da ist in der medialen Berichterstattung ein Konnex hergestellt worden“, sagt Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) der „Presse“ am Dienstag, „aber ich habe das immer getrennt von dem, was ich zu verantworten habe, nämlich rechtliche Rahmenbedingungen auszuverhandeln, die den ORF retten. Darum habe ich gekämpft.“ Nachdem die SPÖ das Feststehen dieser Rahmenbedingungen verkündet hatte, hieß es bei der ÖVP auf Nachfrage der „Presse“, ob Grasl nun Finanzdirektor werde, selbstbewusst: „Davon ist auszugehen.“

Bis Montagnacht war dieser Posten von Sissy Mayerhoffer besetzt, um 23.52 Uhr kam die ORF-Aussendung: „Mayerhoffer zur Leiterin ,Humanitarian Broadcasting‘ bestellt – Neuausschreibung der Funktion ,Kaufmännische/r Direktor/in‘ erfolgt.“ Bis 15. Dezember können Interessenten sich bewerben, die über die Besetzung entscheidende Sitzung findet am 17. Dezember statt.

Bedingungen für 160 Mio. Staatshilfe

Warum wurde der Personalwechsel so plötzlich nötig? „Sissy Mayerhoffer will sich beruflich verändern“, sagt ORF-Kommunikationschef Pius Strobl der „Presse“. Als Chefin des „Humanitarian Broadcasting“ betreut sie künftig u.a. „Licht ins Dunkel“ und „Rat auf Draht“; auch für die Barrierefreiheit der ORF-Angebote, die nun ebenfalls im Gesetz festgeschrieben werden sollen, wird Mayerhoffer verantwortlich sein.

Auch dafür erhält der ORF die 160 Mio. Euro. Weitere Bedingungen: Weiterzahlung der Filmförderung (5,9 Mio. Euro/Jahr), Erhalt des Radio-Symphonieorchesters (beides soll im Gesetz festgehalten werden), Umbau von TW1 zu einem Info- und Kulturkanal und Steigerung des Anteils österreichischer Produktionen (Budget derzeit: 80 Mio. Euro/Jahr). Werbeeinschränkungen sieht das neue Gesetz nur online vor, was die Privatsender aufregt. Bei redaktionellen Inhalten könnte es für das ORF-Onlinemagazin „Futurezone“ eng werden: Während dem von der EU vorgeschriebene Public-Value-Test in TV und Radio nur neue Sendungen zu unterziehen sind, müssen im Internet auch Angebotskonzepte für bestehende Rubriken gelegt werden. Mit der „Futurezone“ könnte der ORF unerlaubt privaten Medien Konkurrenz machen. Darüber entscheidet künftig eine neue, weisungsfreie Medienbehörde, für die die Koalition noch die Zustimmung einer Oppositionspartei braucht.

Völlig unangetastet blieben hingegen die beiden ORF-Gremien, Stiftungs- und Publikumsrat (zum Teil im Frühling per Fax von den Gebührenzahlern zu wählen): Der Rechnungshof und Räte selbst hatten eine Änderung der beiden je 35-köpfigen Gremien gefordert. Ostermayer: „Wir wollten einen neuen, kleineren Aufsichtsrat machen und den Stiftungsrat zur Eigentümerversammlung. Aber es gab Widerstand von der Opposition, weil die befürchtete, dann weniger Stimmgewicht zu haben.“ Verkleinert wird hingegen die ORF-Direktion: Ab der nächsten Geschäftsführungsperiode soll es maximal vier Direktoren geben (derzeit sechs). Und bis zum Erreichen einer Frauenquote von 45 Prozent im ORF sollen gleichqualifizierte Frauen ihren männlichen Konkurrenten vorgezogen werden.

VP-Vizekanzler Josef Pröll sagte am Dienstag, dass die 160 Millionen Euro (als Refundierung für gebührenbefreite Haushalte) nur dann fließen würden, wenn man die Sparziele erreiche. Ob bzw. wann wieder eine Gebührenerhöhung ansteht, will derzeit niemand vorhersagen; sie hänge von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, so Ostermayer. Die Staatshilfe von 160 Mio. Euro ende 2013– mit der Legislaturperiode: „Bei den Koalitionsverhandlungen ist das dann wohl wieder ein Thema.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2009)

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