Pfingstdialog Seggau: „Es gibt kein America First ohne Europa“

Schloss Seggau.
Schloss Seggau. (c) imago stock&people (imago stock&people)
  • Drucken

„Geist und Gegenwart“. Ein Symposium in der Südsteiermark widmete sich den derzeit heiklen Beziehungen zwischen den USA und Europa. Als leuchtendes Beispiel für bessere Zeiten wurde der Marshallplan angeführt. Aber auch die Kirchen setzen derzeit auf transatlantische Harmonie.

Sind die Beziehungen zwischen den USA und Europa tatsächlich so zerrüttet, wie es jüngst beim Antrittsbesuch des neuen US- Präsidenten, Donald Trump, auf dem alten Kontinent schien? Beim Pfingstdialog „Geist und Gegenwart“ zum Generalthema „Europe.USA.3.0“, der am Freitag auf Schloss Seggau in der Südsteiermark endete, wurden zwar Differenzen und bedenkliche Bruchlinien offen erörtert, zugleich aber viele Gemeinsamkeiten betont. Zur Causa prima, Trumps erklärtem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, sagte Marc R. Pacheco, Senator in Massachusetts, dass viele Bundesstaaten, die eine starke Klimapolitik machten, weiter hart daran arbeiten, dass man auf diesem Gebiet Fortschritte erzielte: „Wir sollten am Pariser Abkommen weiter festhalten“, lautete die Kampfansage des Demokraten aus Taunton.

Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer riet zur Gelassenheit: „Hören wir auf damit, über das Ende der westlichen Welt zu reden!“ Er sei zwar kein naturgegebener Unterstützer des US-Präsidenten, doch dessen erste Monate im Amt hätten sich stark von der Wahlkampfrhetorik unterschieden. Das scheine Kritiker zu enttäuschen. Nüchternheit sei angebracht. Gusenbauer erlaubte sich in der Diskussion über transatlantisches Konflikt- und Kooperationspotenzial eine Spitze gegen die deutsche Kanzlerin: „Merkel hat ihre Rede über einen Bruch in der Geschichte in einem Bierzelt gehalten.“ Ex-Vizekanzler Erhard Busek übte sich in Zweckoptimismus: „Ich bin Trump ungeheuer dankbar, denn er bedeutet für Europa einen Tritt in den Hintern.“

„Es darf kein Zwischen-Europa geben“

Fazit der Mehrheit der Redner: Die Beziehung zu den USA wird weiterhin wesentlich bleiben. Das verwundert nicht; an dem Symposium, zu dem das Land Steiermark, die Diözese Graz-Seckau und der Club Alpbach Steiermark einluden, waren Dutzende Diskutanten beteiligt, die intensiv dieses Netzwerk des Westens pflegen. Das dominante positive Symbol beim siebten biennalen Pfingstdialog: Der Marshallplan, der vor 70 Jahren vom US-Außenminister initiiert wurde und dem verheerten Europa durch großzügige Hilfsmaßnahmen und Kredite zu beiderseitigem Nutzen raschen Wiederaufbau ermöglichte, zumindest im Westen.

Die Vorzüge des heute noch wirkenden Plans zeigte Daniel S. Hamilton auf, Professor der Johns Hopkins University in Washington: „Die Europäer mussten die Richtung weisen, die USA standen dahinter.“ Nicht das Geld, sondern der weitsichtige Plan zum Wiederaufbau habe den Erfolg bedingt. Das habe gelehrt: Es gibt kein America First ohne Europa. Hamilton bedauerte, dass nach dem Mauerfall 1989 nicht ähnlich großzügig gedacht wurde, er sprach in Bezug auf die Kriege in Ex-Jugoslawien in den Neunzigerjahren vom „größten Versagen des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg“. Die Turbulenzen am Balkan und die illiberalen Tendenzen in Ostmitteleuropa seien wieder virulent. Die USA würden zwar weiter hinter Europa stehen, doch dieser Kontinent müsse stärker zusammenarbeiten: „Die Mitte wird entscheidend sein. Es darf kein Zwischen-Europa geben, sonst zahlen wir später einen viel höheren Preis dafür.“

Auf ein Paradoxon wies der Vatikan-Experte John L. Allen Jr. im Vortrag über „Perspektiven der Religion, speziell des Katholizismus“, hin: „Während die politische Führung Amerikaner und Europäer auseinandertreibt, bringt uns die geistliche Führung wieder mehr zusammen.“ In den Fragen der Abtreibung, der Verhütung und der Homosexuellen-Ehe seien Amerikas Christen lange viel strikter gewesen, das gelte nun nicht mehr. Eine Annäherung zwischen den Kirchen in Europa und den USA gebe es auch bei der Immigration. In den USA bemühten sich die katholischen Bischöfe schon längere Zeit um Zuwanderer aus Mexiko: „Das sind ihre Leute.“ Ohne diese Immigration hätte sich der Anteil der Katholiken in den USA halbiert. Er bleibe konstant. In Europa seien die Bischöfe skeptisch zur Einwanderung gewesen. Das habe sich aber durch Franziskus radikal geändert: „Er wird vielleicht als Immigrationspapst in Erinnerung bleiben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.