Medien und Politik: ZDF-Chefredakteur muss gehen

(c) AP (Matthias Schrader)
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Ungenierte Einflussnahme im Öffentlich-Rechtlichen: Die deutsche CDU schießt Chefredakteur Nikolaus Brender ab – ohne sachliche Begründung.

So ist das halt in Wien“, kommentierten viele Beobachter vergangene Woche das neue ORF-Gesetz, in dem die ÖVP für ihr Zugeständnis, dem ORF 160 Millionen Euro Staatsgeld zuzuschießen, den Chefredakteur des Landesstudios NÖ, Richard Grasl, in die ORF-Chefetage reklamierte. Eine österreichische Lösung – roter Chef, schwarzer Finanzchef –, hieß es. Aber dass eine solche österreichische Lösung auch für Deutschland passt?

Dort passiert – in umgekehrter Form – der Fall Grasl als Fall Nikolaus Brender: Der 60-jährige ZDF-Chefredakteur wurde gestern abgesägt. Dabei hat sich Brender, seit 1999 höchst angesehen in der Position, Respekt erarbeitet, weil er parteipolitische Einflussversuche ignorierte. Nach der Wahlniederlage von Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat 2002 wollte die CSU seinen Vertrag kündigen; 2005 schimpfte der wahlerfolglose Gerhard Schröder auf Brender. Nun setzten sich konservative Politiker rund um Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) monatelang gegen ihn ein. Grund dazu gäben sinkende Quoten und sein Führungsstil.

Die Hälfte stimmte für ihn – zu wenig

Und Kochs „Überzeugungsarbeit“ – die ihm den Vorwurf eintrug, er arbeite mit Methoden eines Silvio Berlusconi – hat gewirkt. Zum Sitzungsende, kurz vor 17 Uhr – „wenn die sich bis dahin nicht gegenseitig erschlagen haben“, hatte die ZDF-Pressestelle davor gegenüber der „Presse“ geätzt –, stand fest: Brenders Vertrag läuft Ende März 2010 aus. Für ihn haben sieben der 14 Mitglieder gestimmt, für eine Verlängerung wären neun Stimmen nötig gewesen. Es habe keine stichhaltigen Argumente gegen Brender und auch keine sachliche Begründung für die Abberufung gegeben, kritisierte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats ist. Wie im ORF-Stiftungsrat gibt es dort „Freundeskreise“, deren Mitglieder einer Partei nahestehen.

Das ZDF-Gremium soll entsprechend der Statuten „im Einvernehmen mit dem Intendanten“ Markus Schächter alle fünf Jahre einen Chefredakteur benennen. Schächter ist zwar CDU-Mitglied, hat Brender aber halten wollen und auch einen Kompromiss vorgeschlagen. Nun kündigte er am Freitag eine andere Lösung an: Noch vor Jahresende soll ein neuer Chefredakteur berufen werden.

Schwarzer Intendant, roter Chefredakteur

Schächter lobte Brenders Unabhängigkeit und Kompetenz sowie seine solide Haushaltsführung, die Einsparungen ermöglicht habe. Noch vergangenes Wochenende hatten 35 namhafte Staatsrechtler in einem offenen Brief auf die Staatsferne des Rundfunks gepocht. Auch Journalistenkollegen hatten sich für Brender eingesetzt: Wenngleich seine Wutausbrüche gefürchtet sind, wird er als „journalistischer Tausendsassa“ beschrieben. Er ist parteilos, gilt in der Farbenlehre aber als „rot“ – die Logik dahinter ist der österreichischen ähnlich: schwarzer Intendant, roter Chefredakteur.

Die Motive der CDU für dieses bisher einmalige Vorgehen sind indes ungeklärt. Die linke Berliner „Taz“ sieht gar Kanzlerin Angela Merkel als „Drahtzieherin“.

Heute, Samstag, hätte Brender einen Vortrag beim Journalistentag der Journalisten-Union in der Gewerkschaft Verdi halten sollen. Er hat aber abgesagt, weil er sich nicht in der Lage sah, den Vortrag vor 180 Teilnehmern zu halten, berichten deutsche Medien. Brender hätte über das „notwendige Überleben des Journalismus“ sprechen sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2009)

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