Lachen über den Frust der Generation 40

Ethan (Keegan- Michael Key), Lisa (Cobie Smulders), Sam (Annie Parisse) und ihr Ehemann (Greg Germann) feiern die Zusammenführung der alten Clique.
Ethan (Keegan- Michael Key), Lisa (Cobie Smulders), Sam (Annie Parisse) und ihr Ehemann (Greg Germann) feiern die Zusammenführung der alten Clique.(c) Barbara Nitke/Netflix
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Netflix startet eine Serie, die sich nicht an Teenies oder Twens richtet: Bei „Friends from College“ dürfen jene lachen, die sich schon seit zwanzig Jahren oder mehr erwachsen nennen dürfen. Aber: Sind sie das wirklich?

Was für eine amüsante Bettszene! Sam fühlt sich während des Vorspiels von Ethans Gesichtsausdruck beleidigt, auch wenn er seine konzentrierte Miene als „mein Lustgesicht“ verteidigt. Danach rammt er ihr aus Versehen das Knie ins Schambein und dann sind auch noch die Kondome aus. Während Ethan welche besorgen geht, wird Sam in die Vorschule zitiert, weil ihr Sohn ein Kind „Fotze“ genannt hat. Das war's dann mit dem Schäferstündchen. Das „Pimmelmützchen“, wie Ethan es in seiner zur Infantilität neigenden Art bezeichnet, bleibt in der Verpackung. Vorerst zumindest...

Schon nach wenigen Minuten ist klar: Ethan und Sam sind verheiratet – allerdings nicht miteinander. Sie kennen sich seit 20 Jahren, seit dem ersten Semester in Harvard. Sam redet die Sache in einem Anfall von Selbstverteidigung als „eine blöde College-Nummer, die nie aufgehört hat“ klein. Aber die zwei verbindet viel mehr als Bettgeflüster: Sie haben eine innige, freundschaftliche Beziehung. Blöd nur, dass Ethan mit seiner Frau Lisa wieder nach New York zurückzieht, wo Sam, ihr Mann und alle Freunde aus der College-Zeit leben. Die Zusammenführung der alten Clique wird nicht so unkompliziert verlaufen, wie es sich manche der Beteiligten vorab einreden. Einzig Lisa hat so etwas wie eine Vision: „Der Frust von 20 Jahren, der kann jeden Moment explodieren...“

Die beiden Serienmacher Nicholas Stoller („Bad Neighbors“, „The Muppets“) und Francesca Delbanco schöpfen für die Netflix-Serie „Friends from College“ aus autobiografischen Erfahrungen: Beide sind um die vierzig und haben in Harvard studiert. „Unsere Freunde sind unsere Familie“, sagt Stoller. „Wenn wir zusammen sind, entwickeln wir uns alle wieder zurück.“ Und genau das passiert auch mit Ethan, Sam und den anderen. Die Männer greifen einander beim ersten Wiedersehen nach ihrem alten Ritual an die Eier und kichern. Die Mädels trinken Sekt mit „O-Saft“. Und Sam lobt Lisas Figur: „Du bist so schlank – wie ein kleines, schrumpfendes Küken.“ Lisa ist ein paar Jahre jünger als die anderen – und bleibt das Küken, auch wenn sie sich längst zur toughen Anwältin gemausert hat.


Heuchelei beim Klassentreffen. Das ist keine Serie für Teenies oder Twens. Das ist Fernsehstoff für Mittdreißiger, besser noch Leute über vierzig, die Zusammentreffen mit Menschen kennen, die man seit Jahrzehnten kennt, früher gemocht oder geliebt, aber viele Jahre nicht gesehen hat. Das kann viel Freude, aber auch Enttäuschung bringen. Jedenfalls Heuchelei: Beim Klassentreffen erzählt keiner seine wahren Eheverhältnisse, es gibt nur super Karrieren und keiner steckt je in der Krise.

Und Krisen gibt es viele in „Friends from College“. Ethan behauptet z. B., sein Roman werde ein Bestseller – dabei hat ihm sein alter Freund und Verleger Max geraten, besser Jugendliteratur zu schreiben, die er aber hasst. Das Kind, das sich Lisa von ihm wünscht, lässt auch schon zu lang auf sich warten. In „Friends from College“ geht's auf heitere Weise um Untreue, Unfruchtbarkeit, Konkurrenzkampf und die Unreife von Erwachsenen.

Die Darsteller: Charakterköpfe. Komiker und Emmy-Preisträger Keegan-Michael Key („Fargo“) stattet Ethan in Stresssituationen mit einem ulkigen Hasengesicht (die Oberlippe verschwindet) und gequetschter Stimme aus. Die Lisa von Cobie Smulders erinnert an ihre Robin in „How I Met Your Mother“, die mit dem Spagat zwischen Karriere und Privatleben kämpft und hin und wieder derbe Sprüche klopft. Annie Parisse („Law and Order“) ist als Sam eine Frau zwischen neureicher Noblesse und teeniehafter Freude am Verbotenen. Acht unterhaltsame Folgen lang geht es um alte Seil- und Liebschaften, die Bürde des Erwachsenseins und die Unmöglichkeit, an die alten, kindischen Zeiten anzuknüpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2017)

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