Frauen werden in ORF-News benachteiligt

(c) Clemens Fabry
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Politikerinnen kommen laut Akademie der Wissenschaften in der „ZiB“ seltener zu Wort – und kürzer.

Vier Nationalratswahlkämpfe (2002, 2006, 2008, 2013) haben Gabriele Melischek und Josef Seethaler vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter die Lupe genommen. Sie wollten wissen, wie oft und wie lange Politikerinnen in den sechs Wochen vor dem Wahltermin in der „Zeit im Bild“ zu Wort kommen. Im Vorwort zu ihrer Studie heißt es: „Unterrepräsentation von Frauen in Politik und Gesellschaft bedeutet ein ernstes demokratisches Defizit“. Laut Statistik der Interparlamentarischen Union (IPU) lag Österreich Ende 2016 mit einem Anteil von nur knapp 31 Prozent Frauen im Nationalrat auf dem 44. Rang. Eine Unterrepräsentation, die durch die Benachteiligung in den Medien, allen voran im ORF, noch verstärkt wird.

Was also lässt sich über die „ZiB“ sagen? In zumindest einem Punkt konnten die Autoren nur einen geringen Nachteil der Frauen ablesen: Die Chance auf einen einmaligen Auftritt war für die Kandidatinnen „nur“ um 15,2 Prozent geringer als für ihre Kollegen – das ist kein signifikanter Unterschied. Aber: Was die Häufigkeit der „ZiB“-Auftritte und die Redezeit betrifft, „zeigt sich eine signifikante und beständige Benachteiligung von Frauen“: Nur jede zweite Politikerin hatte mehr als einen Auftritt, bei den Männern hingegen bekamen zwei von drei Kandidaten die Gelegenheit. Und: Während jeder Mann im Durchschnitt auf 74 Sekunden Gesamtredezeit kam, waren es bei Frauen nur 32 Sekunden.

Mehr Substanzielles für Männer

Die Ursachen für den Gender-Bias liegen laut Studie darin, dass einerseits Frauen auch dann weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird, wenn sie politische Führungspositionen einnehmen. Andererseits würde die intensivere PR-Arbeit der Parteien nur bei Männern Wirksamkeit entfalten. Laut internationalen Studien werden Frauen öfter mit Geschlecht, Aussehen und Familienstand und seltener mit substanziellen Themen verbunden als Männer. Was den ORF selbst betrifft, der seit 2012 an den Gleichstellungsplan gesetzlich gebunden ist, halten die Studienautoren fest, man könne „keinen unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen den Anstrengungen zur Gleichstellung im Unternehmen und der Gleichbehandlung von Frauen in den Nachrichtensendungen erkennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2017)

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