Murdoch: Das Ende der großen Freiheit

Murdoch Ende grossen Freiheit
Murdoch Ende grossen Freiheit(c) REUTERS (MARIO ANZUONI)
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Medienmogul Rupert Murdoch gestaltet seinen Konzern – die News Corp.– um und will künftig vor allem eines: verdienen, verdienen, verdienen. Er übt hemmungslos politische Einflussnahme aus.

Es gibt kaum ein Thema, über das sich Medienbeobachter weltweit so leicht einigen können, wie über die Feststellung, dass Rupert Murdoch böse – ganz, ganz böse – sei. Der 79-Jährige hat in Australien, Großbritannien, Teilen Asiens und den USA, deren Staatsbürger er mittlerweile ist, dominierende Medienmacht aufgebaut, mit der er hemmungslos politische Einflussnahme ausübt. Sein TV-Sender Fox führt die Opposition gegen US-Präsident Barack Obama an, in Großbritannien machte Murdochs Massenblatt „Sun“ im Wahlkampf reine Propaganda für den Konservativen David Cameron. Er ist seit 10.Mai neuer britischer Premier. Einer seiner ersten Gäste? Ein gewisser Rupert Murdoch.

Kann es da sein, dass ausgerechnet der Medienmogul Murdoch der weltweit ums Überleben kämpfenden Zeitungsbranche einen Rettungsweg weist? Seit 2.Juli verlangen seine Elite-Zeitungen „Times“ und „Sunday Times“ im Internet Gebühren, zum Einführungspreis nur zwei Pfund in der Woche (im Print kostet die „Times“ hingegen ein Pfund täglich). Die ersten Ergebnisse nach wenigen Wochen sind ermutigend: Die Zahl der Leser im Internet ist um 66 Prozent gefallen – doch erwartet hatte man bis zu 90 Prozent. „Der Zuspruch liegt weit über unseren Erwartungen“, sagt Rebekah Brooks von Murdochs Konzern News Corporation.


„Parasiten“ im Internet. Um die Einführung der „Paywall“ tobte zuvor ein wahrer Glaubenskrieg, und der ist noch lange nicht ausgestanden. Murdoch senior bezeichnete Anbieter von Gratisinhalten wie „Google News“ als „Parasiten“, etwas gepflegter sprach sein Sohn James davon, „angemessenen Wert für kreatives Bemühen“ erzielen zu wollen. Demgegenüber argumentieren britische Konkurrenten wie etwa die Guardian Media Group damit, dass „Inhalt frei sein muss“– und die „Daily Mail“, der Marktführer unter den Zeitungen im Internet: „Wenn man groß genug ist, rechnet es sich auch.“ Doch keiner weiß, wie das klassische Zeitungsgeschäft auf Dauer zu finanzieren ist.


25 Prozent weniger Auflage. Der„Guardian“ macht wöchentlich Verluste von 3,2Millionen, die „Times“ von 1,6Millionen Pfund. Die Auflageziffern der britischen Presse sind seit 2007 um 25Prozent gefallen, die Werbeeinnahmen sanken wegen der Rezession allein im Vorjahr um 16Prozent. Alle Zeitungen unterzogen sich massiven Sparprogrammen mit merklichen Auswirkungen auf die Qualität, doch stoßen diese mittlerweile an strukturelle Grenzen: 80 Prozent der Kosten gehen heute zu Lasten dessen, was das physische Produkt Zeitung nun einmal ausmacht: Papier, Druck und Vertrieb.

In dieser Situation kann man sich einen russischen Oligarchen als „sugar daddy“ suchen, wie ihn der „Independent“ und der „Evening Standard“ in der Gestalt von Alexander Lebedew gefunden haben. Oder auf das Internet setzen, denn hier gibt es all die Fixkosten nicht, die für die Zeitungen angesichts der neuen Technologien existenzbedrohend geworden sind. In der britischen Medienbranche kursiert derzeit der Spruch: „Kann man mit 40Millionen Pfund im Jahr eine Zeitung ohne Verluste führen? Unmöglich. Kann man mit 40 Millionen Pfund im Jahr im Internet Gewinn machen? Absolut.“ Ein führender Vertreter der Geschäftsführung der „Financial Times“ geht sogar so weit, unter dem Schutz der Anonymität zu prophezeien: „In fünf Jahren gibt es unsere Zeitung nicht mehr als Printprodukt.“ Microsoft behauptet, in zehn Jahren sei es so weit.


BBC dominiert im Internet. Dabei ist die noble FT – wie Murdochs „Wall Street Journal“ – schon länger erfolgreich mit einer „Paywall“ im Internet aktiv. Bei diesen Publikationen wird stets argumentiert, dies sei auf ihren spezifischen Inhalt und ihre zahlungskräftige Leserschaft zurückzuführen. Der wahre Test seien hingegen allgemeine Nachrichten, wie sie die „Times“ anbietet und die man in ähnlicher Form auch von Dutzenden anderen Quellen gratis bekommen kann. In Großbritannien ist den Zeitungsverlegern daher besonders die dominierende Stellung der BBC im Internet ein Dorn im Auge. Doch dieses Angebot ist nur scheinbar gratis, die BBC ist seit jeher über Gebühren finanziert.

Der philosophischen Debatte („Gebühren sich Gebühren?“) müde, macht Murdochs Konzern, der traditionell eine weltweite Vorreiterrolle unter den Medien spielt, nun Nägel mit Köpfen. Kurz vor der Einführung der „Paywall“ für die „Times“ wurde die Plattform Skiff erworben, die an Bezahlmodellen bastelt – auch Google, bisher einer der Evangelisten des freien Zugangs, soll an einem ähnlichen Modell arbeiten. Darüber hinaus wurden auch die zwei Murdoch-Fernsehsender Sky Sports1 und 2 aus dem digitalen „Freeview“ hinter eine Paywall verschoben (und die Preise erhöht). Elf Millionen britische Haushalte müssen nun entweder an Rupert Murdoch löhnen oder auf die geliebten Live-Übertragungen der englischen Fußballliga verzichten. Wie Murdoch am Anfang des Abenteuers Sky zu Beginn der 1990er-Jahre sagte: „Sportrechte sind unser Rammbock.“


BSkyB als Cash-Cow. In einem weiteren Schritt hat die News Corp. zudem 7,8Milliarden Pfund für die völlige Übernahme des Pay-TV-Senders BSkyB,der Muttergesellschaft von Sky, geboten, an dem das Unternehmen derzeit 39Prozent hält. Murdoch wurde mit der Botschaft nach Hause geschickt, dass er eine Milliarde drauflegen soll. Das wird er, nach Klärung aller rechtlichen Fragen, wohl nur zu gerne tun. Die News Corp. sitzt derzeit auf einem Cash-Vermögen von 5,6Milliarden Pfund. Der Londoner Medienanalyst Mathew Horsman: „Es gibt noch einpaar rechtliche Fragen, aber im Grunde wird der Deal durchgehen.“

Murdoch wird sich damit die alleinigen Erträge einer künftigen Cash-Cow in den Stall holen. Sky hat die Rezession ohne Einbrüche überstanden und wird in Kürze den zehnmillionsten Kunden unter Vertrag nehmen. Nach Jahren massiver Investitionen wirft das Unternehmen, an dem Murdoch einst fast pleite gegangen wäre, heute fette Gewinne ab: Heuer werden 730Millionen Pfund erwartet, ab 2011 mindestens 1,2Milliarden Pfund. Der Analyst Paul Richards: „Die Übernahme macht jede Menge Sinn.“

Jeder Sky-Kunde gibt im Jahr durchschnittlich 503 Pfund für das Angebot des Senders aus, und längst bietet Sky Pakete mit Fernsehen, Internet und Telefonie. „Zeitungen und andere Inhalte im Internet“, sagt Richards, „sind da nur der nächste logische Schritt.“ Der Analyst Alex de Groote: „Es geht ganz klar um eines: Die Leute sollen für Inhalte zahlen.“ Die Übernahme wird auch gelingen, da die britische Politik Wettbewerbsbedenken nicht so tragisch zu nehmen scheint: „Es meint doch ohnehin jetzt schon jeder, dass Murdoch Sky beherrscht“, meinte Kulturminister Jeremy Hunt. Er gehört der Partei von David Cameron an. Manche Investitionen lohnen sich eben früher als andere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2010)

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