Skinhead-Affäre: ORF-Anwalt ortet "Anschlag auf Pressefreiheit"

Der ORF-Anwalt Gotttfried Kern sieht in der erzwungenen Herausgabe von Drehmaterial einen
Der ORF-Anwalt Gotttfried Kern sieht in der erzwungenen Herausgabe von Drehmaterial einen "Anschlag auf die Pressefreiheit". (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Für Gottfried Kern beruht die Begründung des OLG Wien zur Herausgabe von Drehmaterial zu einer "Am Schauplatz"-Doku auf "aktenwidrigen" Angaben.

Für ORF-Anwalt Gottfried Korn ist die gerichtlich erzwungene Herausgabe von Drehmaterial zu einer Folge von "Am Schauplatz" ein "Anschlag auf die Pressefreiheit". Wie Korn sagte, sei die Begründung des Gerichts, wonach das Redaktionsgeheimnis nicht zum Tragen komme, falsch und beruhe auf "aktenwidrigen" Angaben. Dass das Oberlandesgericht Wien (OLG) über weite Strecken "wortgleich" der Argumentation der Oberstaatsanwaltschaft folgt, ist für Korn ein Indiz, dass hier "abgeschrieben wurde". Sein Fazit: "Es war ein bestimmtes Ergebnis gewollt und das ist gekommen." Korn pochte weiter auf das Redaktionsgeheimnis.

Die Staatsanwaltschaft sucht auf den Bändern offenbar nach einer Stelle, an der einer der beiden Skinheads, die ORF-Redakteur Eduard Moschitz für die "Am Schauplatz"-Reportage "Am rechten Rand" mit der Kamera begleitete, im Innenhof einer Wohnanlage am 11. März seiner "Gesinnung Nachdruck verleihen wollte". Dies sagte die Schwester eines der Burschen offenbar gegenüber den Ermittlern aus. Weil diese angebliche öffentliche Äußerung nicht mehr als "vertraulich" gelten kann, komme das Redaktionsgeheimnis nicht zum Tragen, wird unter anderem vom Oberlandesgericht argumentiert.

Korn: Darstellung ist aktenwidrig

Für Korn ist diese Argumentation "schon einmal falsch", wie er sagte. Denn aus den Feststellungen des Erstgerichtes gehe klar hervor, dass inklusive dem Skinhead bei der Szene nur sieben Personen anwesend waren, so der Medienrechtsanwalt. "Hier von einer Öffentlichkeit zu reden, ist glatt aktenwidrig." Dass die Hausbewohner den Dreh mitverfolgen konnten, sei zwar richtig, alleine die Beobachtung eines Kamerateams lasse aber für solche Beobachter noch keinen Rückschluss darauf zu, was vor der Kamera gesagt wurde, so Korn.

Unmittelbar bei dem Dreh anwesend waren laut Erstgericht der verdächtige Skinhead, dessen Freundin, zwei seiner Freunde und drei Mitarbeiter des ORF, nämlich der Redakteur, der Kamera- und der Tonmann, so Korn. Die Grenze von zehn Personen zur Herstellung einer "Öffentlichkeit", wie dies das OLG argumentiert, ist damit für Korn nicht gegeben. Außerdem sei diese nicht nachvollziehbar, denn sie beziehe sich auf die Judikatur zum Paragraf 69 des Strafgesetzbuchs, der auf Ehrenbeleidigung oder Beschimpfung abziele, so Korn. "Das hat ja mit dem Redaktionsgeheimnis nichts zu tun. Die Grenze von zehn Personen ist nicht darauf übertragbar."

Auch falsche Gerichtsurteile seien zu befolgen

Dass der ORF die Bänder nun herausgibt, hält Korn für selbstverständlich: "Wir leben in einem Rechtsstaat und in einem Rechtsstaat sind auch falsche Gerichtsurteile zu befolgen." Eine angeblich drohende Pönale von täglich 100.000 Euro bei Nicht-Herausgabe der Bänder stellte Korn in Abrede. Das sei "völliger Unsinn".

Grundsätzlich hält der Anwalt es für die "hehre Pflicht des ORF im Interesse aller Medien", den Fall bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu tragen. Das Urteil sei schließlich auch "ein Angriff auch auf die Pressefreiheit der Printmedien", so Korn. "Da geht es um Rundfunkfreiheit, um Pressefreiheit und um den Artikel 10 der Menschenrechtskonvention."

ORF wurde Akteneinsicht verwehrt

Die Argumentation des Oberlandesgerichts hält Korn schlicht für eine Vorverurteilung des ORF-Redakteurs Moschitz. "Wenn so etwas in einem Medium stehen sollte, wäre das ein klarer Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Es gibt null Anhaltspunkte, dass hier eine Anstiftung zur Wiederbetätigung vorlag", so Korn. Worauf sich die Anschuldigungen gründen, könne er nicht nachvollziehen, schlicht deshalb, weil dem ORF die Akteneinsicht verwehrt worden sei, die erst am Tag der Zustellung des OLG-Bescheids, gegen den ohnehin keine Rechtsmittel mehr möglich sind, wieder erlaubt worden sei.

Unter juristische Ungereimtheit fällt das Faktum, dass zwar ein Mitarbeiter des ORF als Beschuldigter geführt wird, die Herausgabe der Bänder aber gegen den ORF als Unternehmen durchgesetzt wurde. "Der Sicherstellungsauftrag bezieht sich auf den ORF", so Korn.

(APA)

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