Experten und Politik kritisieren das Vorgehen der Behörden bei der Berichterstattung über die Hypo Alpe Adria und beim ORF. Bandion-Ortner sieht keinen Reformbedarf, der VÖZ will das Redaktionsgeheimnis als Verfassungsrecht.
Die Pressefreiheit ist in Österreich in den vergangenen Tagen zu einem heiß diskutierten Thema geworden. Grund ist das Vorgehen der Justiz gegenüber mehreren österreichischen Magazinreportern und dem ORF in der Causa der umstrittenen "Am Schauplatz"-Sendung über den rechten Rand. Dafür hagelte es am Freitag heftige Kritik vonseiten der Interessenverbände und der Politik.
Dass die Staatanwaltschaft Wien "profil"-Wirtschaftsressortleiter Michael Nikbakhsh und seine Kollegin Ulla Schmid formal als Beschuldigte verhört hat, ortet der Sprecher der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen (VÖSt), Richard Soyer, als "sehr gravierenden Fehler". "Noch dazu wo es um Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung geht", so Soyer.
Hintergrund: Nikbakhsh und Schmid wurden auf Basis eines Rechtshilfeersuchens der Münchner Anklagebehöre von österreichischen Behörden einvernommen, weil sie in ihren Berichten über die Hypo Alpe Adria-Affäre aus Gerichtsakten zitiert hatten. In Österreich ist das zwar legal, in Deutschland gemäß Paragraf 353d des deutschen Strafgesetzbuches allerdings verboten.
Gegen "News"-Chefreporter Kurt Kuch wird ebenaflls ermittelt und vermutlich dürften noch weitere heimische Journalisten betroffen sein - vor allem, wenn sie aus Tagebuchaufzeichnungen von Tilo Berlin, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Hypo Alpe Adria, zitiert hatten.
Verhör von Journalisten war nicht rechtens
Die Einvernahme war eindeutig nicht rechtens, meint auch die Wiener Medienrechtsspezialistin Maria Windhager: "Die Wiener Anklagebehörde hätte an den Ermittlungen gegen die Journalisten nicht mitwirken dürfen". Zum Delikt, das den betroffenen Journalisten in Bayern angekreidet wird, gibt es im österreichischen Strafgesetzbuch keinen vergleichbaren Tatbestand. "Die Staatsanwaltschaft hätte daher dem Rechtshilfeersuchen nicht nachkommen dürfen", sagte Windhager.
Ein weiterer Kritikpunkt an der Justiz ist die jüngste Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG), dass der ORF alle Aufnahmen eines "Am Schauplatz"-Drehs über jugendliche Skinheads am rechten Rand an die Staatsanwaltschaft zu übergeben hat.
VÖZ: Redaktionsgeheimnis als Verfassungsrecht
Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) forderte am Freitag, das Redaktionsgeheimnis unverzüglich verfassungsrechtlich zu verankern, da er zunehmend Versuche ortet, dieses auszuhöhlen. Vor allem der "empörende Vorfall" der Magazinreporter "muss eine Konsequenz haben: Das Redaktionsgeheimnis muss unverzüglich gegen Umgehungen abgesichert und unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt werden", so VÖZ-Präsident Hans Gasser.
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach in dem "profil"-Fall von einem "inakzeptablen Vorgehen", der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz kritisierte mangelnde Sensibilität der Justiz. ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer sieht keinen Bedarf an gesetzlichen Änderungen.
Kein Reformbedarf für Bandion-Ortner
Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hält die derzeitige Gesetzeslage zur Wahrung der Pressefreiheit in Österreich für ausreichend. Eine Reform aus aktuellem Anlass sei "nicht notwendig", erklärte sie am Freitag im "Ö1-Mittagsjournal". Sie räumte jedoch ein, dass das Vorgehen der Justiz im Fall der zwei "profil"-Journalisten ein Fehler war: "Das ist unbestritten." Allerdings sei die Sache zu Beginn juristisch nicht ganz klar gewesen. Einen "Justizskandal" erkennt sie jedenfalls nicht. Wie es zur Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft Wien gekommen ist, sei Gegenstand von Untersuchungen. Diese könnten in einem Disziplinarverfahren enden, meinte die Ressortchefin.
Für "profil"-Herausgeber Christian Rainer ist Bandion-Ortners Reaktion "keineswegs ausreichend. Diese Vernehmung war ein Grundrechtsverstoß". Gemeinsam mit "profil"-Geschäftsführer Thomas Kralinger, der auch Vorsitzender des juristischen Beirates des Verbands Österreichischer Zeitungen ist, verlangte er die umgehende Vernichtung der auf illegaler Basis zustande gekommenen Erhebungsergebnisse und von der Politik "ein eindeutiges, öffentliches Bekenntnis zum Redaktionsgeheimnis".
Denn "Am Schauplatz"-Fall wollte Bandion-Ortner als Justizministerin nicht kommentieren und verwies auf die Gerichtsentscheidung. "Die Pressefreiheit ist sehr wichtig, aber es kann natürlich zu einer Gratwanderung kommen", meinte sie. Diese Entscheidung sei nicht einfach und es könne sein, dass ein Grundrecht in ein anderes eingreift. Sollte der Verdacht einer strafbaren Handlung bestehen und dies auf Aufnahmen zu sehen sein, sollte ihrer Meinung nach eine Beschlagnahme möglich sein. Über die Verhältnismäßigkeit entscheide die Staatsanwaltschaft, so Bandion-Ortner. "Auch ein unabhängiges Gericht sah das offenbar so."
(APA/Red.)