Russischer Journalist nach Angriff im Koma

Russischer Journalist nach Angriff
Russischer Journalist nach Angriff(c) EPA (DAI KUROKAWA)
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Ein bekannter Politikredakteur wurde in Moskau brutal zusammengeschlagen. Präsident Medwedew beauftragte Staatsanwaltschaft und Innenministerium mit Ermittlungen.

Der bekannte russische Journalist Oleg Kaschin ist vor seiner Wohnung in Moskau von Unbekannten brutal niedergeschlagen und nach einer Notoperation in ein künstliches Koma versetzt worden. Die Bluttat sorgte landesweit für Entsetzen.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew wies Generalstaatsanwalt Juri Tschaika und Innenminister Raschid Nurgalijew am Samstag an, den Fall mit höchster Priorität zu untersuchen. Der 30 Jahre alte Reporter der Tageszeitung "Kommersant" hatte sich immer wieder kritisch mit Demokratiedefiziten in Russland auseinandergesetzt. "Dieses ungeheure Verbrechen hängt klar mit seinem Beruf zusammen", sagte Chefredakteur Michail Michajlin.

Die Tatsache, dass die Täter den Journalisten nicht ausgeraubt und Wert darauf gelegt hätten, dessen Finger zu zerschmettern, deute darauf hin, dass es sich um einen Racheakt für seine Arbeit als Reporter handle, sagte der Chefredakteur. Kaschin schrieb häufig über politische Themen und soziale Proteste. Der Journalist habe zu "informellen Organisationen" recherchiert, sagte Michajlin dem Fernsehsender NTW, ohne Einzelheiten zu nennen.

"Die Täter müssen gefunden und bestraft werden", forderte Präsident Medwedew mit Nachdruck von den Justizbehörden. Er hatte zuvor überraschend ein umstrittenes Gesetz zur weiteren Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Russland gestoppt. Es widerspreche dem in der Verfassung verankerten Demonstrationsrecht, begründete Medwedew sein Veto in einem Brief an die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern. Laut dem im Oktober verabschiedeten Gesetz hätte niemand mehr eine Kundgebung beantragen dürfen, der wegen der Organisation unerlaubter Versammlungen vorbestraft ist.

Das Gesetz habe "Aspekte, welche die Umsetzung des Verfassungsrechts der Bürger behindern könnten, Versammlungen und Demonstrationen abzuhalten", erklärte Medwedew nach Angaben des Kreml. "Ich weise das Gesetz ab." Öffentliche Treffen seien "eines der effektivsten Mittel, um die Aktivitäten des Staates und der örtlichen Behörden (...) zu beeinflussen", so der Präsident.

Die russische Polizei geht regelmäßig hart gegen oppositionelle Demonstranten vor, die oft von vorneherein keine Erlaubnis für ihre Proteste erhalten. Unter dem neuen Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin hat sich die Lage in den vergangenen Wochen etwas entspannt, erstmals durften etwa Homosexuelle in der russischen Hauptstadt demonstrieren. Medwedews Maßnahme könnte nun ein weiterer Schritt hin zu mehr Offenheit sein.

Der prominente Bürgerrechtler Lew Ponomarew begrüßte das Veto des Präsidenten. "Es zeigt, dass wir uns nicht nur auf dem Papier auf europäische demokratische Standards zubewegen", sagte er der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Auch die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, begrüßte den Schritt des Präsidenten. Scharfe Kritik äußerte die "Grande Dame" der russischen Menschenrechtsbewegung an der Attacke auf Kaschin. Mindestens zwei Angreifer hätten dem Reporter in der Nacht auf Samstag aufgelauert und ihm den Kiefer und beide Beine gebrochen sowie innere Verletzungen zugefügt, sagte ein Polizeisprecher nach Angaben der Agentur Interfax.

"Solange bei uns Journalisten eingeschüchtert und verprügelt werden, solange ist Russland weder ein Rechtsstaat noch demokratisch", sagte Alexejewa. Auch die Organisation Amnesty International und der russische Journalistenverband sowie der Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin zeigten sich empört.

Bei einer spontanen Kundgebung vor dem Polizeipräsidium in Moskau forderten Demonstranten eine schnelle Aufklärung des Verbrechens. Generalstaatsanwalt Tschaika leitete ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes ein. Kaschin schrieb zuletzt über das umstrittene Bauprojekt einer Autobahn, für die ein Wald bei Moskau abgeholzt werden soll. Ende 2008 war ein Journalist, der sich für den Erhalt des Waldes einsetzt, von Unbekannten nahezu totgeprügelt worden.

Alle russischen Fernsehsender machten am Samstag ihre Nachrichten mit dem Überfall auf Kaschin auf. In den vergangenen Jahren wurden in Russland zahlreiche Journalisten angegriffen oder getötet. Nur wenige der Täter wurden je ermittelt. Nach Angaben des in New York ansässigen Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) gab es seit 2000 mindestens 18 nicht aufgeklärte solche Morde. Als bekanntester Fall gilt jener der Kreml-kritischen Reporterin Anna Politkowskaja, die 2006 von Unbekannten erschossen worden war.

(APA)

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