Kommunikationschef Strobl ließ Gespräche von Journalisten mit ORF-Direktoren mitschneiden. Programmdirektor Lorenz spricht in einem Zeitungsinterview von "DDR-Methoden".
In der ORF-Geschäftsführung gibt es nach der Abwahl von Informationsdirektor Elmar Oberhauser neuen Wirbel: Stein des Anstoßes ist eine Mitarbeiterin des ORF, die vor dem Stiftungsratssaal am vergangenen Donnerstag im Auftrag von Kommunikationschef Pius Strobl Gespräche von Journalisten mit Direktoren mitschnitt. Programmdirektor Wolfgang Lorenz spricht gegenüber der Tageszeitung "Österreich" (Sonntagausgabe) von einem Abhörskandal".
"Das sind Sitten, die man sich verbieten muss"
Lorenz kritisiert den mächtigen ORF-Kommunikationschef und Wrabetz-Vertrauten Strobl in dem Interview mit scharfen Worten. "Wir können diese blamable Situation nicht auf unserem Unternehmen sitzen lassen. Da gibt der Kommunikationschef des Hauses einen Abhör-Auftrag. Das zeigt, was für eine pervertierte Vorstellung von Kommunikation er hat. Wo sind wir denn da? Das erinnert an späte DDR-Methoden. Untragbar!"
Lorenz will den Vorfall zum Thema in der nächsten Geschäftsführersitzung des ORF machen. "Alle Direktoren sind sehr erbost. Das sind Sitten, die man sich verbitten muss", meinte er. "Es ist absolut empörend, dass man unsere Gespräche mit euch Journalisten abhören wollte - und das im Auftrag von ORF-Kommunikationschef Pius Strobl."
"All Aufnahmen wurden vernichtet"
Dieser versuchte am Sonntag zu kalmieren: Er habe eine Mitarbeiterin der Cross Promotion aus seiner Abteilung gebeten, Interviews aufzunehmen, sagte Strobl. Ziel sei es gewesen, "eine Art Stimmungsbericht" für die Kollegen in den Bundesländern zu machen. Nachdem keine klassischen Interviewsituationen mehr erkennbar gewesen seien, habe er erkannt, dass das nicht so einfach gehe. "Alle Aufnahmen wurden vernichtet, nachdem ich gehört hatte, was passiert ist", sagte Strobl.
"Das war nicht für die Veröffentlichung gedacht, sondern für die Kolleginnen und Kollegen intern." Und: "Nachdem es kritisches Hinterfragen gegeben hat, habe ich die Kollegin abgezogen." Er halte "die Aufregung für höchst unzulässig und die bewusst gemachten falschen Unterstellungen für äußerst kritisierbar", sagte der Kommunikationschef.
"Im Auftrag von Herrn Strobl"
Die Mitarbeiterin der Cross-Promotion hatte am Donnerstag für erhebliche Irritationen unter Journalisten und ORF-Direktoren gesorgt. Ausgestattet mit einem digitalen Aufnahmegerät hatte sie sich wortlos neben Anwesende gestellt und deren Gespräche aufgezeichnet.
Den Höhepunkt markierte eine Situation, in der die drei Direktoren Lorenz, Karl Amon und Thomas Prantner sich im Plauderton unterhielten, nachdem sie vor Journalisten klargestellt hatten, keine Statements abgeben zu wollen, und die Mitarbeiterin zu ihnen schritt und ihnen das Aufnahmegerät unter die Nase hielt und das Zwiegespräch mitschnitt. "Im Auftrag von Herrn Strobl", beschied die Mitarbeiterin auf erboste Nachfragen zu ihrer Tätigkeit. "Kindisch", fand das Radiodirektor Amon und nahm ihr das Gerät aus der Hand.
(APA)