Eugen Russ: "Ein Skandal fast wie in Ungarn"

Skandal fast Ungarn
Skandal fast Ungarn(c) Vorarlberger Medienhaus
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Der Chef des Vorarlberger Medienhauses, Eugen Russ, über Presseförderung nach Gutsherrenart, den Faymann-Kurs und Rupert Murdochs "Daily".

»„Wir haben es mit einer Umwälzung im Mediensystem zu tun“«


Herr Russ, 2010 war ein gutes Jahr für Ihr Medienhaus.


Eugen Russ: Es war für Österreich insgesamt ein gutes Jahr. Wir sind aus der Krise fast wie ein Senkrechtstarter herausgekommen.

Woran lag das? Am Sparkurs der Verlage oder an der anziehenden Werbewirtschaft?

Das große Sparen sehe ich bei uns nicht, vor allem im Vergleich zu Ungarn, Rumänien und Deutschland. Wir haben es nicht geschafft, die Strukturen wesentlich zu verbessern. In Ungarn waren die Kollegen gezwungen, die Strukturen neu und besser aufzusetzen.

Stichwort Ungarn. Wie ist Ihre Einschätzung der medienpolitischen Lage?

Es beschäftigt uns natürlich massiv, dieses Presse- und Mediengesetz, weil nicht einschätzbar ist, was da auf uns zukommt. Uns bedroht die mediengesetzliche Änderung dramatischer als die steuerliche, durch die wir nur indirekt betroffen sind. Und wenn die jetzt in einer diskriminierenden Form besteuert werden, dann ist das ein Schaden, der uns indirekt auch trifft. Und natürlich macht es keinen guten Eindruck, wenn man in einem Staat unternehmerisch tätig ist, der diskriminierend gegen ausländische Unternehmen vorgeht – dabei sind die ja eigentlich keine ausländischen, mit der EU sind das ja alles inländische. Mehr will ich dazu aber nicht sagen. Ich habe in Ungarn meinen Partner und Kollegen Josef Kogler, der das verantwortet, der braucht da keinen Zuruf von mir.

Wie wichtig ist der ungarische Markt für das Vorarlberger Medienhaus?

Es ist ein wichtiger Markt, weil wir sehr an Ungarn glauben. Wir haben eine schöne Marktposition in Ungarn, und es ist ein wichtiger Auslandsmarkt für uns.

Der Wichtigste?

Nein, die sind alle gleichgewichtig: Deutschland, Rumänien, Ungarn. Aber Ungarn macht uns insofern große Freude, als wir sehr an die ungarische Wirtschaft glauben, vor allem an die ungarische Bevölkerung. Wir denken auch, dass wir ein weiteres gutes Wachstum vor uns haben, obwohl es zwei, drei kritische Jahre gab. Es ist ein sehr gut ausgebildetes Volk, sehr fleißig, sie wollen die Themen bewegen, darum glauben wir zutiefst an Ungarn.

Sie haben nach Ungarn, Rumänien expandiert, aber nie nach Ostösterreich. Warum?


Weil die Voraussetzungen fehlen, um in Österreich erfolgreich zu sein: Da gibt es eine Presseförderung von zehn Millionen Euro und zusätzlich eine Freivergabe von Bundeskanzler, Vizekanzler und den Ministerien in der Höhe von 70 bis 100 Millionen Euro. Die werden nach Gutsherrenart vergeben. Es gibt Marktteilnehmer, die bis zu 50 Prozent ihrer Gesamterlöse aus diesem Gutsherrentitel erhalten – wie willst du dich als Unternehmer in diesem Umfeld bewegen? Ich bin auf dem Balkan tätig und ich kenne das weder aus Rumänien noch aus Ungarn. Sich in diesem Umfeld zu bewegen macht unternehmerisch wenig Spaß und hat wenig Sinn. Darum lassen wir den österreichischen Markt seit Jahren aus.

In Vorarlberg haben Sie mit Ihrem Medienhaus faktisch Monopolstellung. Sind Sie dadurch verwöhnt und lassen den Osten deshalb lieber in Ruhe?

Noch einmal: Ich glaube, dass man im österreichischen Markt andere Skills benötigt. Erfolg hat hier, wer die besseren Beziehungen zum Bundeskanzler hat. Das ist mindestens genauso ein Skandal wie der ungarische. Ich bin sicher, dass man in drei, vier Jahren über diesen Faymann-Kurs ganz neu nachdenken wird. Und ich nehme zur Kenntnis, dass uns dieser klare Kurs massiv Umsätze kostet. Seitdem wir so profiliert Stellung beziehen, sind unsere Umsätze aus Ministerien auf null gesunken. Wir hatten im Jänner kein einziges Inserat aus dem Faymann-Umfeld. Weder vom Bundeskanzleramt noch von irgendwelchen Ministerien.

Sie sind vor einem Jahr als einer der Ersten in Österreich mit einer App für das iPad vorgeprescht. Hat sich das Schnellsein gelohnt?

Es lohnt sich immer, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Wir wollen bis 2013 25 Prozent unseres Umsatzes digital machen. Wir sind auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Ein Schlüsselthema dabei sind Tablets.

Wie gefällt Ihnen Murdochs iPad-Zeitung „The Daily“?


Mir ist jedes Bemühen recht, für Qualitätsinhalte auch einen Copy-Preis zu verrechnen. „Daily“ ist noch ein wenig gewöhnungsbedürftig: wenig Überblick, viel Meinung, aber gute Bilder.

Apple hat ein neues Abo-System vorgestellt, künftig sollen 30 Prozent der App-Einnahmen bei Apple bleiben. Wie finden Sie das?

Leider ist Apple in keiner Weise in den Aussagen dazu konsistent. Ich hoffe sehr, die Vernünftigen im Konzern setzen sich durch. Apple kann und soll nicht zum zensurierenden Einheitskiosk der Welt werden. Wenn Vernunft nicht hilft, setze ich auf den Wettbewerb mit Android 3.0 (Betriebssystem von Apple-Konkurrent Google, Anm.)



Noch sind die Tablet-Pcs in Österreich nicht sehr verbreitet. Wie lange wird das noch dauern?

Ich glaube, es wird einer von vielen Ausgabekanälen bleiben – aber einer, der nicht schnell dominant werden wird. Das wird etliche Jahre dauern. Aber es ist ein wichtiger Ausgabekanal und einer, der Print ideal ergänzt, und wenn wir jetzt keine großen Fehler machen, dann haben wir die Chance, das Produkt auch digital zu verkaufen, wir dürfen die Apps nur nicht zu nahe an die Website heranführen und zu lange gratis anbieten. Weil dann die Chance vergeben ist, für diesen Kanal auch Vertriebserlöse zu bekommen. Wir glauben zutiefst daran, dass man ausschließlich über Werbeerlöse ein Qualitätsprodukt wie eine Qualitätszeitung oder Qualitätsregionalzeitung niemals finanzieren kann.

Gibt es weitere Pläne, um das Medienhaus für die Zukunft fit zu machen?

Es gibt viel. Schon heute arbeitet ein Drittel aller Mitarbeiter ausschließlich online. Wir wollen versuchen, im tradierten Printbereich unsere Online-Kompetenz auszubauen, mit weniger Menschen ein noch besseres Produkt zu machen. Bisher hatten wir vier Regionalausgaben, jetzt haben wir zehn. Das gefällt sowohl den Lesern, weil sie auf einmal fast ein Gemeindeblatt auf dem Qualitätsniveau einer Regionalzeitung bekommen, als auch den Anzeigenkunden, und wir machen einen Zusatzumsatz bei gleichem Aufwand, und der Ertrag des Unternehmens ist nochmals gestärkt.

Das kann sich doch nicht ausgehen: gleich viele Leute, die ein Vielfaches produzieren.

Doch, wenn die Abläufe produktiver sind.

Das heißt was?

Wir versuchen alles, was digital abbildbar ist – von der Inseratengestaltung über die Artikelaufnahme bis User Generated Content –, digital ablaufen zu lassen. So arbeiten wir produktiver.

Sie sind ein Gegner des Journalistenkollektivvertrags.

Das stimmt so nicht. Ich glaube nur, dass er für unser Haus in der Zukunft nicht funktioniert.

Warum gerade für Ihr Haus?


Das muss jedes Medienhaus für sich wissen. Ich bin kein Gegner des Kollektivvertrags, sondern des Senioritätsprinzips. Damit werden wir im Wettbewerb nicht bestehen können. Es treten neue Spieler auf unser Feld. Es ist nicht mehr der ORF der Hauptgegner und die „Kronen Zeitung“, die wir fürchten. Es sind Unternehmen wie Google, Facebook und Telefonbuchverleger, die in unseren Markt kommen.




Für Sie war die „Krone“ in Vorarlberg nie ein ernsthafter Gegner, oder?

Na ja, die „Krone“ ist und war immer ein potenzieller Gegner, der uns, wenn er es wissen will, wehtun könnte. Zum Glück war es bisher so, dass die „Krone“ gemerkt hat, dass sie sich selbst viel mehr wehtun würde, käme sie zu uns. Aber die Gegner der Zeitungsverlage sind nicht mehr primär andere Zeitungsverlage. Wir haben es mit einer Umwälzung im Mediensystem zu tun. Da treten Unternehmen wie Facebook oder Google in den regionalen Markt ein. Google hat heute im Digitalbereich 50 Prozent des digitalen Medienumsatzes in Österreich – und das machen die mit drei, vier Mitarbeitern, die in Irland angemeldet sind. Das heißt die Wertschöpfung in Österreich ist null, aber trotzdem sind die mit uns in einem harten Wettbewerb. Ich weiß nicht, wie viel Mitarbeiter Facebook in Österreich hat. Mein Tipp ist null, und dennoch machen die erhebliche Umsätze in Österreich und gehen in die regionalen Märkte hinein – in Wien, Steiermark, Kärnten – und schöpfen dort Umsätze ab. Da muss man mit neuen Produkten, neuen Ideen und mit Sicherheit nicht mit Seniorität um die Marktführerschaft kämpfen.

Was wäre eine sinnvolle Alternative zum jetzigen KV?

Leistung. So wie überall. Seniorität gibt es mittlerweile nur mehr bei der AUA, selbst die Bundes- und Landesbeamten haben diese Seniorität nicht mehr.

Noch einmal zu Ihrer Rolle in Vorarlberg: Was entgegnen Sie Kritikern, die meinen, Sie hätten eine unnatürliche Monopolstellung im Land?

Hohe regionale Marktanteile sind ziemlich normal. Wenn Sie sich den Zeitungsmarkt in den USA ansehen: Da gibt es 1500 Zeitungsmärkte, und 1498 sind ein Monopol. Das ist die Regel. „St. Galler Tagblatt“, die „Süddeutsche“ in München – das ist die Regel. Wir sind da regelkonform. Du kannst entweder Macht ausspielen oder auf Marktanteile setzen. Wir haben uns vor vielen Jahren für Marktanteile entschieden. Ob das richtig war, müssen andere entscheiden. Da tu ich mich schwer. Ich glaube, wir haben ein gutes Image. Es gibt keine „Medienhaus“-Kampagnen, kein akkordiertes publizistisches Tun. Es sind die einzelnen Marken voll eigenverantwortlich, die gehen in publizistische Vielfalt hinein.

Eugen Russ (geb. 6.1.1961) ist Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer des Vorarlberger Medienhauses, das er 1983 in dritter Generation übernahm.

Das Unternehmen Das Medienhaus hat 400 Mitarbeiter in Vorarlberg und besitzt Tochterunternehmen in Ungarn, Rumänien, Liechtenstein und der Schweiz. Zur Gruppe in Österreich gehören die „Vorarlberger Nachrichten“ (67Prozent Reichweite), die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“, das Magazin „Week“, Radio Antenne Vorarlberg und diverse Internetportale. VM

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13. Februar 2011)

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