Ö1: Neu am Sonntag und nach null Uhr

(c) APA (THOMAS RAMSTORFER)
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Ö1-Chefin Bettina Roither geht mit dem „Café Sonntag“ auf Nummer sicher und wagt mit einem Talk-Radio spät nachts ein Experiment für jüngeres Publikum.

Seit Ö1 mit der Satiresendung „Welt Ahoi!“ öffentlichkeitswirksam Schiffbruch erlitten hat, ist man nicht mehr sehr experimentierfreudig. Den gleichen „Guglhupf“ wie früher kann und will Senderchefin Bettina Roither ihrem Publikum am Sonntag aber auch nicht servieren. Weshalb das Programm am Sonntagmorgen mit 1.Juni reformiert wird. Um das Zielgebiet genau abzustecken und nicht noch einmal auf ein Riff aus Ablehnung aufzulaufen, hat Roither das Hörerverhalten genauer untersuchen lassen: „Laut Radioforschung haben wir am Sonntagvormittag ein etwas älteres Publikum als unter der Woche. Und: Die Leute sind in einer bestimmten Stimmung. Es sollte also etwas sein, das dieses entspannte Wochenendgefühl anspricht.“

Ein „Feuilleton“ fürs Radio

Seit der Pensionierung von Roland Knie ist auch die Sendung „Patina“ eingestellt. „Genau so, wie er es gemacht hat, hätte es niemand machen können“, argumentiert Roither im „Presse“-Interview. Und: „Das meiste der großen Schätze ist aus dem Archiv schon gehoben.“


• Im neu eingerichteten „Café Sonntag“, das Ö1 ab Juni sonntags von 9.05 bis zehn Uhr sendet, sollen sowohl die Satire (auch in Form einer wöchentlichen Glosse) als auch Archivinhalte und „dazwischen gute Musik, die man am Sonntagvormittag sonst nicht hat – von Jazz über Swing bis Chansons“–, Platz finden. Jede Woche wird auch ein Gast bei den Moderatoren Mercedes Echerer und Oliver Baier Platz nehmen. „Der Anspruch an dieses Format war, dass man die Menschen in dieser Zeit anspruchsvoll, aber entspannt begleitet“ – Roither nennt es ein „Sonntags-Feuilleton“ fürs Radio. Sendungsverantwortlicher ist Michael Kerbler. „Es wird eine Mischung aus Musik und Wort, damit es einerseits für jene interessant ist, die genau zuhören wollen, dass man aber auch nicht gleich den Faden verliert, wenn man sich dazwischen mit dem Partner oder den Kindern unterhalten will.“

Doch nicht nur der Sonntag, auch das Programm in der Nacht wird neu gestaltet. 12.000 Hörer wies der Radiotest für Ö1 im Vorjahr in der Zeitzone zwischen null und ein Uhr Früh aus, von eins bis zwei hören im Durchschnitt noch 6000 zu, bis drei Uhr reduziert sich die Zahl auf 1000. Zahlt sich da eine Reform überhaupt aus? „Es sind nicht so viele, als dass man sich nicht wünschen könnte, dass es mehr werden“, findet Roither. Mit der neu konzipierten Nachtleiste (Mo. bis Fr.) will sie „ein bisschen auf Nachtschwärmer setzen“ – und das Opernpublikum ebenso bedienen wie jüngere Zuhörer.

• Am Montag läuft „Oper in der Nacht“ (00.08 bis drei Uhr). Während der Samstagabend der Live-Oper gewidmet ist, werden hier Operneinspielungen aus dem Archiv gesendet, „große Studioeinspielungen von der Barockoper bis zu Werken des frühen 19.Jahrhunderts“ in voller Länge zu hören sein. Und: Das Publikum soll mitentscheiden können, welche Oper es hören möchte.

• Dienstag bis Donnerstag sendet Ö1 ab Juni ein Talk-Radio: „Nachtquartier(00.08 bis ein Uhr) ist der „Versuch, ein jüngeres Publikum anzusprechen“. Die Musikfarbe ist nicht klassisch, sondern modern. Der Moderator wird mit einem Gast zu unterschiedlichsten Themen und länger mit Anrufern sprechen. Es gehe um „Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen von Hörern und Gästen“. Moderatoren sind Rainer Rosenberg, Dorothee Frank, Johann Groiss, Helmut Jasbar, Elisabeth Scharang und Anna Soucek. Wie weit der Bogen reicht, zeigen die ersten Gäste und Themen: Julie Monaco („Über Nacht und Meer, im Bild und im Leben“ in der Nacht von 31.5. auf 1.6.), Christian Kühn („Kulturphänomen Fadesse. Wie kurzweilig ist die Langeweile?“) und Günter Tolar („Mein schönes Leben als alter schwuler Mann“).

• Den Wochenschluss markiert „Die Freitagnacht der Musik“ (23.03 bis zwei, fallweise bis sechs Uhr), ein Sendeplatz „für tendenziell modernere Musikstile“, vornehmlich aus Österreich. Hier werden sich im Monatsrhythmus vier Formate abwechseln: „Spielräume – Nachtausgabe“, „Zeit-Ton extended“, „Lange Nächte der Neuen Musik“ und die „Jet Lag All Stars Radio Show“. Und wenn ein Monat fünf Freitage hat? Dann widmet sich Otto Brusatti an diesem Tag einem Thema – zum Gedenktag im Sommer z.B. Arnold Schönberg.

• Außerdem wandern die englischen und französischen Nachrichten in ein etwas verlängertes „Mittagsjournal“.

Neu auf Ö1 ab 1. Juni

„Café Sonntag“ ist die neue Sendung am Sonntag (9.05–10h). Moderation: M. Echerer, O. Baier.

In der Nachtschiene (ab 00.08h) laufen Opernaufzeichnungen (Mo.), ein Talk-Radio (Di.–Do.) bzw. moderne Musik (Fr.).

Außerdem übersiedeln „Nachtbilder“ auf Sa. (22.05h); „Ex libris“ und „Leseprobe“ werden in einer Stunde (So., 16–17h) vereint; die fremdsprachigen Nachrichten wandern ins „Mittagsjournal“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2011)

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