Wehrschütz: „Ich bin niemandes Mann“

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Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz kandidiert als Generaldirektor, dies mit wenig Chancen zwar, dafür mit einer Botschaft. Er würde sich als ORF-Chef für eine langfristige Personalplanung einsetzen.

Sehr lange überlegt hat er sich diesen Schritt nicht, sagt Christian Wehrschütz. Vielleicht ist es die Distanz zu Österreich, die ihm diesen selbstbewussten, leicht naiven Zugang ermöglicht: Er ist seit dem Jahr 2000 als Balkan-Korrespondent in Belgrad stationiert – und diesen Sommer will er als ORF-Generaldirektor kandidieren.

Er sitze derzeit über der Bewerbung, „wissend, wie groß meine Chancen sind“, sagt er, „aber ich denke, dass man durch so eine Kandidatur vor dem Stiftungsrat gewisse Dinge ansprechen kann, die im ORF verbessert gehören.“ Er sieht sich als Mitglied des „mittleren Managements“ im ORF, und weil es in diesem Bereich „niemanden gibt, der sich traut“, trete eben er an. Dabei betont er im Gespräch mit der „Presse“ mehrfach: „Ich bin niemandes Mann. Ich habe mit keinem Politiker und mit keinem Stiftungsrat geredet.“

Wie gering seine Chancen tatsächlich sind, zeigen vielleicht auch die Reaktionen. Vor knapp einer Woche stand erstmals in der „Kleinen Zeitung“, dass er sich bewerben wolle, am Dienstag bestätigte Wehrschütz diese Meldung – doch bis Ende der Woche hat sich niemand aus der Politik oder den ORF-Gremien bei ihm gemeldet, um Interesse zu bekunden oder ihm zu sagen, was für eine Schnapsidee das sei.

Dabei hätte Wehrschütz, der heuer 50 Jahre alt wird, einiges über seine Anliegen zu sagen. Er beobachte den ORF mehr aus dem journalistischen Blickwinkel; die Medien generell sieht er in einer „Phase der Soundbyte-Demokratie“ stecken. „Gerade in einer immer komplexer werdenden Welt bekommen wir immer weniger Sendezeit“, das sei demokratiepolitisch bedenklich.

Während ein „Zeit im Bild2“-Beitrag früher im Schnitt 3'30'' gedauert habe, müssten Korrespondenten heute dankbar sein, wenn sie für die „ZiB1“ 1'10'' und für die „ZiB2“ 2'20'' abliefern dürfen. „Alles, was in 25 Sekunden nicht erklärbar ist, kann eigentlich nicht mehr in Nachrichtensendungen vorkommen.“

„Bin seit neun Jahren parteilos“

Zudem würde er sich als ORF-Chef für eine langfristige Personalplanung einsetzen, viel mehr in die Nachwuchsausbildung investieren, den Fokus mehr auf die Außenpolitik richten und den Sender auf die völlig neue Mediennutzung in der Bevölkerung abstimmen.

Seine Bewerbung will Wehrschütz offenbar auch nützen, um sich dagegen zu verwehren, dass er immer noch mit einem politischen Lager in Verbindung gebracht wird, in dem er sich nicht mehr zu Hause fühlt: Dass er von österreichischen Medien nach wie vor „ins freiheitliche Lager“ geschoben werde, versteht er nicht. Straches ORF-Kandidat sei doch wohl Thomas Prantner, nicht er. „Natürlich habe ich eine freiheitliche Vergangenheit, aber ich bin seit neun Jahren parteilos.“

Auch wenn seine freiheitliche Zeit tatsächlich eine Weile zurückliegt, lässt sie sich nicht retuschieren. Kurz nach dem Jusstudium in Graz beginnt er beim FPÖ-Parteiorgan „Neue Freie Zeitung“ und wird 1987 dessen Chefredakteur. In dieser Funktion interviewt er den damaligen ORF-Generaldirektor Gerd Bacher, der ihn 1991 zuerst als Mitarbeiter für den Teletext und ein Jahr später für den Hörfunk zum ORF holt. Die Zuordnung zum rechten Lager wird Wehrschütz bis heute nicht so recht los. Immer wieder gibt es Gerüchte, er sei Mitglied des als rechtsextrem eingestuften Witikobundes, was er auf seiner Homepage vehement bestreitet. Er sei kein Mitglied dieses Vereins und gehe rechtlich gegen solche Behauptungen vor, schreibt er dort.

Die Bewerbung für den Chefposten im ORF ist, Chancen hin oder her, kein Sonntagsspaziergang – wieso tut sich das überhaupt jemand an? „Das ist ein typisch österreichischer Zugang, dass man sich sowieso mit allem abfindet.“ Er möchte hingegen gewisse Dinge anstoßen, die sonst nicht gehört werden. Der ORF, für den er sei 20 Jahren arbeite, liege ihm am Herzen. „Und ich möchte mir später nicht vorwerfen lassen, meinen Mund nicht aufgemacht zu haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2011)

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