ORF: Was blieb von welchem Generaldirektor?

blieb welchem Generaldirektor
blieb welchem Generaldirektor(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Teddy Podgorski gab der "Zeit im Bild" den Namen. Gerd Bacher musste für den ersten "Musikantenstadl" Karten verschenken. Jeder ORF-General hat das ORF-Programm verändert. Die "Presse am Sonntag" auf Spurensuche.

In gut sechs Wochen wählen die 35Stiftungsräte des ORF einen neuen Generaldirektor. Den mittlerweile zehnten, wenn man Oskar Czeija dazuzählt, der bis 1938 die Radio Verkehrs AG (RAVAG) leitete, und berücksichtigt, dass Gerd Bacher es dreimal an die Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schaffte. Grund genug, sich die vergangenen Ären anzusehen: Welche Programmideen der Generalintendanten bzw. -direktoren (so heißen sie seit 2001) sind bis heute erhalten? Eine Aufzählung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Der Anfang: Josef Scheidl

Erst 1960 bekam die Österreichische Rundfunk GesmbH nach dem Krieg ihren ersten Generalintendanten: Josef Scheidl. Bereits 1955 aber war das „Österreichische Rundfunkwesen“ gestartet– ein regelmäßiges TV-Versuchsprogramm. Bundeskanzler Julius Raab war wenig überzeugt von dem neumodischen „Narrenkastl“ – und sollte sich täuschen. Im Herbst 1955 startete die „Zeit im Bild“ nach dem Vorbild der „Nine O'Clock News“ der BBC. Thaddäus Podgorski, damals freier Mitarbeiter, hatte die Idee für den Namen: „Es ist zwar net besonders g'scheit, aber wie wär's mit ,Zeit im Bild‘?“, schlug er vor. Gesendet wurde aus Schönbrunn – das Studio befand sich im heutigen Affenhaus des Tierparks.

1958 wurde erstmals TV-Gebühr eingehoben: 50Schilling pro Monat; 1959 lief die erste Fernsehwerbung. 1961 startete der ORF unter Scheidl einen zweiten Versuchskanal. Erst 1970 ging ORF2 täglich auf Sendung.

1963 zeigte das ORF-Fernsehen erstmals Ausschnitte vom „Villacher Fasching“. 1964 fiel der aber den Olympischen Winterspielen zum Opfer: Kameras und Personal wurden in Innsbruck benötigt. 1964 zahlte man nach zähen Verhandlungen mit dem Betriebsrat der Oper 15.000 Schilling für neun Minuten Berichterstattung vom Opernball: drei Minuten über die Eröffnung, sechs Minuten vom Ball. Inklusive Interviews.

Der Tiger: Gerd Bacher

Gerd Bacher hat es als Einziger zu drei Legislaturperioden gebracht: 1967–74, 1978–86, 1990–94. Unter seine Amtszeiten fallen der Start des Farbfernsehens (1969 mit dem „Neujahrskonzert“), die Gründung der Radiosender Ö1, Ö2 und Ö3 (1967). Das „Mittagsjournal“ und ab 1968 das wegen der aktuellen Berichterstattung über den Prager Frühling gegründete „Morgenjournal“ gelten als erste parteiunabhängige Nachrichtenprogramme in Österreich nach dem Krieg. So wurde Bacher seinem Ruf als „Tiger“ gerecht: „Presse“-Karikaturist Gustav „Ironimus“ Peichl hatte ihn anlässlich seiner ORF-Kür 1967 als Raubtier gezeichnet, das einen Bildschirm betritt, aus dem SPÖ- und ÖVP-Männchen flüchten.

1969 ging die erste Ausgabe der Religionssendung „Orientierung“ auf Sendung – das älteste TV-Magazin des ORF. Am Heiligen Abend 1978 war Premiere für „Licht ins Dunkel“ im Fernsehen. Redaktion: Monika Lindner. 1981 moderierte Frank Elstner die erste Ausgabe von „Wetten, dass...?“.

Unter Bacher wurde auch das ORF-Design erneuert, um das Image auf Hochglanz zu polieren. Bacher hatte dafür den coolen Briten Neville Brody engagiert, auch wenn der deutlich unkonventioneller gekleidet war als der General. Einmal stand Brody im Bodysuit neben seinem Auftraggeber.

1980 ging der Teletext on air, obwohl erst etwa 500 teletextfähige TV-Geräte in heimischen Wohnzimmern standen. 1981 startete der „Musikantenstadl“ mit Karl Moik: 400 Karten mussten verschenkt werden, um die Stadthalle Enns zur Premiere zu füllen. 1981 stach das „Traumschiff“ erstmals in See, seit 1982 gibt es „Land der Berge“, seit 1985 Elisabeth T. Spiras „Alltagsgeschichten“, die heute in den „Liebesg'schichten und Heiratssachen“ gewissermaßen eine Fortsetzung haben.

Der Jurist: Otto Oberhammer

Der Kontrast hätte größer nicht sein können: Nachdem Bundeskanzler Bruno Kreisky auf Bachers erste ORF-Regentschaft mit einer ORF-Reform antwortete, die die Macht des Generalintendanten beschnitt, wurde Otto Oberhammer, ein Jurist aus dem Justizministerium, ORF-Chef. Unter ihm wurde 1975 das ORF-Zentrum am Küniglberg bezogen – und die erste „Zeit im Bild 2“ ausgestrahlt. 1976 startete der „Club 2“.

Unter Oberhammer wurden der Wiener Schmäh und das Unterhemd salonfähig: „Kottan ermittelt“ und „Mundl“ waren Kultserien, die zuletzt den Weg ins Kino fanden. 1977 erregte Peter Turrini mit der „Alpensaga“ Aufregung: Im Nationalrat wurde über die Fernsehserie diskutiert, die manche für „kommunistische Agitation“ und „Diffamierung des Bauernstandes“ hielten.

Der Kreative: Teddy Podgorski

Thaddäus – „Teddy“ – Podgorski erfand „Seinerzeit“, „Jolly Joker“, „Sportpanorama“ – und die „Seitenblicke“, die er 1987 konzipierte und die erst Otto Pammer, ab 1996 Rudolf „Purzel“ Klingohr produzierte. Gleich in der ersten Sendung kam es zum Eklat, wie sich Kurt Tozzer und Martin Majnaric in ihrem Buch „Achtung Sendung“ (Ueberreuter) erinnern: Man berichtete, Finanzminister Ferdinand Lacina lasse sich von einem Diener „goldumwickelte Bonbons“ im Rolls-Royce bringen. Eine veritable Ente, die der Sendung aber nicht den Erfolg kostete. In Podgorskis Amtszeit startete der ORF die Naturfilmreihe „Universum“ und seine reichweitenstärkste Sendung: „Bundesland heute“.

Der Quotenmann: Gerhard Zeiler

Nach der dritten Ära Bacher wehte unter Gerhard Zeiler ein neuer Wind am Küniglberg: Er reorganisierte Programm und Struktur des ORF, um den Sender gegen die Konkurrenz privater Anbieter zu wappnen. Zeiler führte den 24-Stunden-Sendebetrieb ein.

Er sorgte für eine Kommerzialisierung des Öffentlich-Rechtlichen, für intensive Eigenwerbung, eine differenzierte Positionierung von ORFeins und ORF2 – und eine Steigerung der Marktanteile. „Eine Prise RTL, dazu eine Messerspitze SAT1, ein paar Tropfen Pro7“, maulte ein Leser in den „Salzburger Nachrichten“ über Zeilers Programmreform. „Vera“ (Russwurm) galt als Antwort auf Sat1-Talk-Lady Margarethe Schreinemakers, Walter Schiejok als Wunderwaffe gegen Hans Meiser (RTL) und „Zur Sache“ als Pendant zum „Talk im Turm“ mit Erich Böhme (Sat1).

Mit der Zeiler-Reform starteten auch „Help TV“, „Thema“, „Report“, „Am Schauplatz“ und das Kulturmagazin „10 1/2“. Das neue „Willkommen Österreich“ nannte „Focus“ „eine TV-Jause im Illustriertenstil“ – erfunden von Monika Lindner. Und obwohl der Reihe „anfangs kein langes Leben vorausgesagt“ war (© Lindner) trugen „Sexpertin“ Gerti Senger, Astrologie und Weinpfarrer-Tipps in Wohnzimmeratmosphäre die Sendung zum Erfolg.

Der Sparsame: Gerhard Weis

Gerhard Weis musste während seiner Amtszeit einem neuen ORF-Gesetz Rechnung tragen, das unter anderem forderte, dass der Öffentlich-Rechtliche am Abend zumindest in einem Kanal in der Regel ein anspruchsvolles Programm senden muss. Weis hob Kultur- und Informationssendungen ins TV-Schema – obwohl er Sorge hatte, dass das die Quote drücken könnte. Gleichzeitig wurden dem ORF Werbebeschränkungen auferlegt – Weis musste also den Rotstift zücken. Dennoch gab es auch in seiner Amtszeit Neues: Mit FM4 startete der ORF ein Jugendradio, „Bundesland heute“ ging am Wochenende auf Sendung, und der ORF startete die zwei Dauerbrenner „Barbara Karlich Show“ und „Millionenshow“. Mit „Taxi Orange“ lockte Weis auch vermehrt junges Publikum an.

Die Einzige: Monika Lindner

Monika Lindner ist die einzige Frau, die es an die ORF-Spitze geschafft hat. Sie setzte eine Gebührenerhöhung durch, verhandelte einen Kollektivvertrag, sanierte die schlampigen Dienstverhältnisse zu den freien Mitarbeitern und war wirtschaftlich erfolgreich. Programmlich landete sie Flops („Deal or no Deal“, „Quiz-Express“, „Expedition Österreich“), legte aber den Grundstein für Erfolge wie Hugo Portischs „Die Zweite Republik“, „Starmania“ und „Dancing Stars“. Sie begründete die erfolgreiche, auf Junge zugeschnittene „Donnerstag Nacht“ mit „Sendung ohne Namen“, „Dorfers Donnerstalk“.

Der Aktuelle: Alexander Wrabetz

Im April 2007 erlitt Alexander Wrabetz am Ruder des ORF mit seiner „größten Programmreform in der Geschichte“ Schiffbruch. Vor allem das öffentliche Scheitern der Sitcom „Mitten im Achten“ hat ihm geschadet.

Das alte „Willkommen Österreich“ ließ er als Persiflage mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann in der „Donnerstag Nacht“ wieder aufleben, das Original wurde zu „Sommer-“, „Herbst-“, „Winter-“ bzw. „Frühlingszeit“ weiterentwickelt – was manche als Spitze gegen Lindner sahen, die das „Ur-Willkommen“ erfand. Wrabetz führte den „Club 2“ wieder ein und besiegelte das Ende der „ZiB“-Durchschaltung. Umstritten war das Societyformat „Chili“, für das der ORF Dominic Heinzl vom Privatsender ATV abwarb. Trotz Kritik und Quotenflaute hat sich Wrabetz fürs Weitermachen entschieden.

Durchtaucht hat er auch eine veritable Krise in der Mitte seiner Amtszeit: Mit 80Millionen Euro Verlust stand der ORF kurz vor der Pleite, Wrabetz vor seiner Ablöse. Nach den erfolgreichen Verhandlungen für das neue ORF-Gesetz (das dem ORF u.a. eine teilweise Refundierung der durch Gebührenbefreiung entgangenen Einnahmen bringt) und einem strikten Sparprogramm hat er Zähigkeit bewiesen.

Josef Scheidl: 1960– 1967

Gerd Bacher: 1967– 1974

Otto Oberhammer: 1974–1978

Gerd Bacher: 1978– 1986

Thaddäus Podgorski: 1986–1990

Gerd Bacher: 1990– 1994

Gerhard Zeiler: 1994–1998

Gerhard Weis: 1998 - 2001

Monika Lindner: 2002–2006

Alexander Wrabetz: seit 1.1.2007

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2011)

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