Monika Lindner über den „unerschütterlichen“ SPÖ-Beschluss zur Wiederwahl von ORF-Chef Wrabetz und dessen Suche nach einer „ahnungslosen“ TV-Direktorin.
Monika Lindner kann leicht lachen und Tee trinken. Seit sie mit Jahreswechsel 2006/07 die Amtsgeschäfte ihrem Nachfolger Alexander Wrabetz übergeben musste, ist der Stresspegel deutlich gesunken. Heute managt sie das zum Raiffeisen-Konzern gehörende Außenwerbeunternehmen Epamedia.
Tee? Lindner bevorzugt Kaffee – aus dem Automatenbecher. Eine Marotte, wie sie lächelnd gesteht. Daran nippt sie, während sie in der Früh durch die Zeitungen blättert – und an einem Bericht zum Thema ORF-Wahl hängen bleibt. „Das hat alles ein Ausmaß angenommen, das ich mehr als beklagenswert finde“ – vor allem, „dass sich niemand bewirbt, der etwas zu verlieren und seine fünf Sinne beieinander hat“. Denn: „Kaum taucht einer auf, wird er diskriminiert. Das ist beklemmend.“ Bisher haben – außer dem Amtsinhaber, der sich im Stiftungsrat einer Mehrheit aus SPÖ, Grünen und Unabhängigen bereits so gut wie sicher ist – nur zwei Personen ihre Kandidatur angekündigt: Ex-EU-Abgeordnete Karin Resetarits-Kraml und ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz – auch aus dem Verständnis heraus, dass bei der Entscheidung um den ORF-General mehr als ein Kandidat zur Auswahl stehen sollte. Gedankt wird ihnen dafür nicht. Vielmehr wird, wer nicht eine Partei oder gleich eine Mehrheit im Stiftungsrat im Rücken hat, im ORF, in den Parteien und in der Öffentlichkeit bestenfalls milde belächelt. Vor allem in der bereits siegessicheren SPÖ. „Da bleibt mir manchmal die Luft weg: Man kann sich doch ein Unternehmen nicht so herrichten, nur weil man die Mehrheit hat“, meint Lindner. Man könne zwar Stiftungsräte dazu anhalten, nach Parteibeschluss abzustimmen, „aber nicht den Wähler“: „Die brauchen nicht glauben, dass die Österreicher das nicht mitkriegen.“
„Wenn sogar ein Gerhard Zeiler scheitert, kriegt man keinen ernst zu nehmenden Kandidaten mehr“, ist sie sich sicher. „Ich will ja den Amtsinhaber nicht desavouieren, aber dass Zeiler der beste Medienmanager in Europa ist, daran gibt es keine Zweifel. Und dass er nicht der ÖVP nahesteht, daran besteht auch kein Zweifel.“ Zeiler wurde just von den Bürgerlichen favorisiert – sah dann aber mangels SP-Unterstützung von einer Bewerbung ab. „Seit dem Rückzug Zeilers ist klar: Der Amtsinhaber ist der einzige Kandidat, der Chancen hat.“ Aber die ÖVP habe „nicht nur das Recht, sondern die Pflicht“, einen Kandidaten zu suchen. Zuletzt wurde Ex-Telekom-Austria-Chef Boris Nemsic genannt. Ihn hält Lindner für eine „überlegenswerte Variante“, weil er im Falle eines Scheiterns „nicht seine Existenz riskiert“.
Einige SP-Räte hätten Zeiler bevorzugt
Dass die SPÖ wie ein Mann hinter Wrabetz steht, sieht Lindner nach einigen Hintergrundgesprächen zum Thema nicht bestätigt: „Hier geht es um das unerschütterliche Befolgen eines SP-Parteibeschlusses. Das wird jetzt durchgezogen – egal, was sich einzelne Stiftungsräte dazu denken.“ Lindner berichtet von mehreren roten Räten, denen Zeiler lieber als Wrabetz gewesen wäre. „Wenn die SPÖ sogar ihrem eigenen Mann, der über jeden Zweifel der Qualifikation erhaben ist, die Unterstützung verweigert, dann hat sie sich decouvriert.“
Die „ganze Geschichte“ sei längst ausgemacht. Die SPÖ richte sich im ORF „alles für die nächste Wahl her“. Wieso sie das glaubt? „Was ich so höre, ist man unterwegs mit einem Headhunter, um eine Frau für das Direktorium zu suchen. Und das in Deutschland und auch in der Schweiz. Das ist ein Affront gegen alle Frauen in Österreich und im ORF – als ob es da keine geeigneten Kandidatinnen gäbe.“
„SPÖ braucht ÖVP für Gebührenerhöhung“
Lindner hält die Suche im Ausland auch insofern für einen „kühnen Plan“, als „man einer Fachfrau aus dem Ausland das Mäntelchen der Unabhängigkeit umhängen kann“, diese dann aber auch „dementsprechend politisch ahnungslos“ sein werde: „Wenn man in der TV-Direktion Programm und Information zusammenführt, dann kann man unter dieser Direktorin, je ahnungsloser sie ist, umso besser machen, was man will.“
Dass die SPÖ die Sache offenbar ohne ÖVP durchziehen will, weil sich eine Wiederwahl von Wrabetz auch ohne die bürgerliche Zustimmung ausgeht, hält Lindner für kurzsichtig: „Die SPÖ wird die ÖVP noch für viele Entscheidungen brauchen – von der Standortfrage bis zur Gebührenerhöhung. Das vergisst sie nur gerne.“
Zur Person
Monika Lindner (66) war von 2002 bis 2006 Generaldirektorin des ORF. Mitte 2006 verlor die in Schlesien geborene und in Tirol aufgewachsene Lindner die Wahl im ORF-Stiftungsrat gegen ihren kaufmännischen Direktor Alexander Wrabetz, der im Jänner 2007 ihr Nachfolger wurde. Seit zwei Jahren ist die passionierte Jägerin Geschäftsführerin der Außenwerbungsgesellschaft Epamedia, die zum Raiffeisen-Konzern gehört.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2011)