Wer wird ORF-Chef? Die heiße Phase beginnt

(c) APA (Harald Schneider)
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In der Nacht auf Freitag endet die offizielle Bewerbungsfrist für das Amt des ORF-Generaldirektors. Vier Kandidaten sind bisher bekannt. Die ÖVP lässt sich bis zum Schluss für eine Entscheidung Zeit.

Zuletzt war es so auffallend ruhig rund um den ORF geblieben, dass es aus der Ferne so aussah, als hätten sich die Regierungspartner SPÖ und ÖVP tatsächlich auf eine gemeinsame Lösung und damit auf den alten, neuen ORF-Chef Alexander Wrabetz geeinigt. Aber nichts da. Seit Dienstag ist wieder etwas Bewegung in die Sache gekommen, und spätestens am Donnerstag beginnt das, was viele Beteiligte aufgeregt „die heiße Phase“ nennen.

Denn in der Nacht auf Freitag, exakt um 24 Uhr, endet die vierwöchige Bewerbungsfrist für den Posten des ORF-Generaldirektors. Derzeit sieht es so aus, dass sich neben Wrabetz nur drei weitere, eher aussichtslose Kandidaten bewerben werden: Ex-ORF-Moderatorin Karin Resetarits-Kraml, ORF-Belgrad-Korrespondent Christian Wehrschütz und der Coach und Autor Manfred Greisinger. Die Motivation der drei lässt sich mit einem engagierten Aufzeigen von Missständen im ORF umschreiben, wobei die Betonung bei „Aufzeigen“ liegt. Karin Resetarits allerdings ist aufgrund ihrer Tätigkeit als EU-Parlamentarierin vom Amt des ORF-Chefs ausgeschlossen und wird daher nicht zum Hearing zugelassen werden, wie der Stiftungsrat beschlossen hat. Online-Direktor Thomas Prantner, der noch im Juni mit einer Bewerbung kokettiert hat, hat schon Mitte Juli erklärt: „Ich bewerbe mich nicht.“

Nachnominierung bis 4. August möglich

Ob noch ein fünfter oder sechster Bewerber dazukommen wird, wird spätestens Freitagvormittag bekannt sein. Da werden den 35 Stiftungsräten die Bewerbungen, die bei einem Notar eingegangen sind, elektronisch zugestellt. Aber so richtig spannend wird es eigentlich erst am 4. August um zwölf Uhr. Jeder Stiftungsrat kann bis zu diesem Zeitpunkt einen Kandidaten nachnominieren. Eine Möglichkeit, die vielleicht die ÖVP nutzen wird. Vizekanzler Spindelegger sagte der Austria Presse Agentur am Dienstag, es gäbe „keinen Deal“ zwischen SPÖ und ÖVP, der den ungehinderten Weg für Wrabetz freimache. Es gebe aber laufend Gespräche. So seien noch Themen wie der neue Standort und der Paragraf 31 ORF-Gesetz (die Aufrechterhaltung des Leistungsumfangs bei gleichzeitiger Pro-Kopf-Kostensenkung, die alle Parteien ändern wollen) zu diskutieren.

Die ÖVP will sich offenbar erst in allerletzter Minute entscheiden, wie sie bei der Bestellung des neuen Generals vorgehen will, hört man aus der Partei. Sie sei in zwei Lager unterteilt: Die einen wollen Wrabetz auf keinen Fall und würden dafür sogar eine Niederlage akzeptieren; die anderen wollen alles, nur nicht als komplette ORF-Verlierer dastehen. Dass die Schwarzen in letzter Sekunde noch einen neuen Kandidaten aus dem Ärmel schütteln, gilt als eher unwahrscheinlich. Es gibt also nur zwei mögliche Szenarien– die ÖVP wehrt sich gegen Wrabetz, ohne einen eigenen Kandidaten aufzustellen, oder es kommt doch zu jenem „Deal“, den Spindelegger noch abstreitet: Die ÖVP stimmt für Wrabetz und bekommt dafür von der SPÖ einige Personalwünsche erfüllt.

Solange das nicht entschieden ist, liefern sich die Parteien, wann immer ihnen die Möglichkeit geboten wird, ein verbales Hickhack. Am Dienstag erklärte SPÖ-Klubchef Josef Cap der APA, er sei für eine Fortschreibung der Gebührenrefundierung an den ORF nach 2013. Weniger als eine Stunde später reagierte sein ÖVP-Kollege Karlheinz Kopf: Eine Gebührenrefundierung auf Dauer komme für die ÖVP nicht infrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2011)

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