News International hat mehr als 200.000 E-Mails vernichten lassen, um das System zu sichern. Wichtiges Beweismaterial in der Affäre dürfte verloren sein. Die Hackerattacke auf die "Sun" hat Folgen.
Die britische Zeitungsgruppe News International hat zwischen April 2010 und Juli 2011 mehr als 200.000 E-Mails löschen lassen. Das geht aus einer Stellungnahme der indischen Firma HCL Technologies, die das E-Mail-System von News International betreibt, an das britische Parlament hervor. Der Konzern des Medienmoguls Rupert Murdoch, der wegen des Abhörskandals um seine inzwischen eingestellte Boulevardzeitung "News of the World" unter Beschuss geraten ist, habe in dieser Zeit neunmal angeordnet, dass nicht zugestellte und archivierte E-Mails gelöscht werden sollten, so HLC.
Solche Anordnungen seien nicht "ungewöhnlich", sondern notwendig, damit das System weiter funktionieren könne, erklärte die Computerfirma. Das E-Mail-System von News International dürfte nicht besonders stabil sein. Der "Guardian" berichtet, dass es einmal sogar drei Tage ausgefallen ist.
Für die Ermittler von Scotland Yard ist diese Löschaktion ein Rückschritt: Sie haben sich gehofft, dass man aus dem internen Mail-Verkehr ablesen könnt, wer von den Abhörpraktiken bei "News of the World" wusste. Ruprt Murdoch und sein Sohn James, der die britische Zeitungsgruppe leitet, haben in einem Parlamentsausschuss beteuert, dass sie Nichts von diesen Praktiken gewusst hätten.
Hackerangriff: Daten kopiert
Der Hackerangriff auf die Murdoch-Boulevardzeitung "Sun" hat indes Folgen: Besucher der Webseite waren am 19. Juli zu einer gefälschten Meldung über einen angeblichen Selbstmord des Medienmoguls weitergeleitet worden. Die Hackergruppe Lulz Security (SulzSec) hatte sich zu dem Angriff bekannt.
Doch auch Daten wurden gehackt, berichtet der "Guardian". News International hat bereits tausende User gewarnt: Demnach dürften persönliche Daten (Namen, Geburtstdaten, Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen) der Teilnehmern von Gewinnspielen und Abstimmungen kopiert worden sein. Informationen über Passwörter oder Bankdaten seien aber nicht betroffen. Nicht SulzSec, sondern eine Hackergruppe namens Batteye soll dafür verantwortlich sein.
Auch Computer geknackt?
Scotland Yard geht inzwischen auch Vorwürfen nach, wonach "News of the World" auch Computer gehackt habe. Dazu werde ein neues Untersuchungsteam eingerichtet, das diesen Vorwürfen nachgehen soll, da sie außerhalb des Aufgabenbereichs der aktuellen Teams lägen. In den USA wurden die Mitarbeiter der "New York Post" angewiesen, mögliche Hinweise auf illegale Abhörpraktiken aufzubewahren.
Die Enthüllung in der Abhöraffäre erschütterten in den vergangenen Wochen nicht nur Murdochs Medienimperium, sondern auch die britische Politik und Polizei. Anfang Juli war herausgekommen, dass Journalisten von "News of the World" nicht nur Prominente abgehört und Polizisten bestochen, sondern auch Handy-Mailboxen der Angehörigen von getöteten Soldaten sowie eines entführten Mädchens geknackt hatten.
Die Affäre brachte auch den britischen Premierminister David Cameron, der enge Beziehungen zur Murdoch-Presse gepflegt hatte, in Erklärungsnöte.
(Ag./Red.)