Areal Neu Marx: Der ORF im Schlachthaus

Areal Marx Schlachthaus
Areal Marx Schlachthaus(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Der ORF sucht einen neuen Standort und zieht wahrscheinlich ins Areal Neu Marx. Vor allem die Wiener SPÖ wünscht sich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ab 2016 vom ehemaligen Großfleischmarkt aus sendet.

(c) Die Presse / JO

Es gibt Entscheidungen, die dauern lange. Und es gibt Entscheidungen, die dauern eine halbe Ewigkeit. Seit mehr als zwei Jahren wird darüber diskutiert, ob der ORF in das Stadtentwicklungsgebiet Neu Marx übersiedeln soll, und seit Monaten ändert sich nichts am Verfahrensstand. Alexander Wrabetz und die ihm nahestehende SPÖ waren geschickt genug, die Entscheidung auf die Zeit nach der ORF-Bestellung zu verschieben (so wie sie sie schon 2010 auf nach der Wiener Wahl vertagten). Somit ist derzeit nur eines sicher: Die Standortfrage wird eine der größten und wichtigsten Entscheidungen, die Wrabetz in seiner zweiten Amtszeit zu treffen hat.

Das bedauernswerte Bundesdenkmalamt wird seit Wochen als Grund für die Verzögerung der Entscheidung genannt: Erst wenn die Behörde die Auflagen für eine Nachnutzung des ORF-Zentrums am Küniglberg benennt, könne man im ORF weiterrechnen, heißt es. Von den Auflagen des Denkmalamtes hängt ab, wie einfach oder schwierig die Nachnutzung des Areals am Küniglberg und damit wie teuer eine Absiedelung werden wird. Auf die Entscheidung des Amtes wird nun aber bald ein Jahr gewartet. Mittlerweile hat der ORF soundso nur mehr zwei Möglichkeiten: das ORF-Zentrum am Küniglberg sanieren und bleiben – oder nach Neu Marx übersiedeln. Weitere mögliche Standorte, wie die Perfektastraße in Liesing, sind längst ausgeschieden.

Und tatsächlich bewegt sich der ORF mit kleinen Schritten in den Osten Wiens. In der vergangenen Woche hat sich die Geschäftsführung das 40.000 Quadratmeter große Grundstück „Karl-Farkas-Gasse 1“, das als neue Heimat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk infrage kommt, mit einer Option für ein Jahr reservieren lassen. Beim Eigentümer des Grundstücks, der Wiener Stadtentwicklungsgesellschaft (WSE), einer Tochter der Stadt Wien, ist die unterschriebene Option vergangene Woche eingegangen. Manche sehen das als Indiz dafür, dass die Entscheidung für Neu Marx längst gefallen ist, denn schließlich müsste der ORF einen fünfstelligen Betrag zahlen, wenn er die Option zurücklegt. „Nicht die Welt, aber auch keine Kleinigkeit“, sagt ein ORFler.

Es ist zudem ein offenes Geheimnis, dass sich Michael Häupls Wiener SPÖ einen Umzug des ORF auf die ehemaligen Fleischmarktgründe wünscht. Das Media Quarter Marx, in dem Aufnahmestudios, private Firmen sowie die von der SPÖ geförderten Medienlehrgänge untergebracht werden, soll nicht allein auf dem ehemaligen Schlachthofgelände in Wien-Landstraße bleiben. Auch Gespräche mit dem Privatsender ATV und den Rosenhügelstudios soll es geben. Die Wiener Wirtschaftskammer-Chefin Brigitte Jank hätte gerne „einen großen Leitbetrieb“ für Neu Marx – „und das kann nur der ORF sein“, sagte sie im vergangenen Herbst.

Gegen eine Übersiedlung ist der Betriebsrat des ORF, weil er befürchtet, dass ein neuer Standort automatisch eine Auslagerung bestimmter Bereiche, etwa der Technik, bedeute. Noch gibt es viele ungeklärte Fragen, offen ist etwa, ob der ORF das Grundstück in Neu Marx kaufen oder mieten würde.

Großviehmarkt und Siechenhaus

Und was für ein Ort ist das überhaupt, an den Österreichs größtes Medienunternehmen frühestens 2016 ziehen könnte? „Es war lange Zeit keine besonders gute Gegend“, sagt die Stadtführerin Anna Ehrlich. Im Mittelalter wurden vor den Stadttoren Wiens sogenannte Siechenhäuser errichtet, in denen Reisende behandelt wurden, damit sie die infektiösen Krankheiten nicht in die Stadt brachten. Ein solches Siechenhaus stand auch an der Kreuzung Landstraßer Hauptstraße und Rennweg.

Auch wenn sich Teile des dritten Bezirks rund um die Beatrixgasse nach den Türkenkriegen „gemausert“ hätten, blieb St. Marx, das den Namen vom Heiligen Markus bekam, ein armes Viertel. „Alles, was gestunken hat, hat man im Osten gemacht“, sagt Ehrlich, so waren etwa die Gerber in dieser Gegend. 1846 wurde in St. Marx mit dem Bau eines Schlachthauses begonnen und der zentrale Großviehmarkt errichtet. Auf dem Grundstück, das für den ORF infrage kommt, befand sich bis zum Ende der 1990er-Jahre der Fleischmarkt. Noch steht das Grundstück leer, im Winter wird auf dieser Fläche das Musical „Cats“ zu sehen sein.

Stadtführungen in diese durch die U3 ganz gut ans Wiener Zentrum angeschlossene Gegend gäbe es hier nie, sagt Ehrlich: „Weil hier will keiner hin.“ Wenn, dann würde Touristen nur der Friedhof St. Marx interessieren – weil hier Mozart begraben ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7. August 2011)

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