Unterschriftenaktion gegen Pelinka: Wrabetz unter Druck

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Die SPÖ erklärt, Niko Pelinka sei kein Statthalter im ORF. Die ÖVP rechnet damit, dass Wrabetz wegen interner Kritik auf Pelinka verzichtet. Dabei hat Postenschacher im ORF Tradition.

Mit Niko wird endlich alles gut im ORF“, zwitscherte des SP-Kanzlers Internetdoppelgänger Werner Failmann an seine Twitter-Freunde. Da hatte ORF-Chef Alexander Wrabetz den Leiter der SP-Fraktion im ORF-Stiftungsrat, Niko Pelinka, eben etwas voreilig zu seinem Büroleiter per 1.Jänner ernannt. Mittlerweile hat Wrabetz den Posten ausgeschrieben – und Pelinka auch ein Social-Media-Double: den „Büroleiter“. Der nahm am Donnerstag die aktuelle Entwicklung aufs Korn: „Ich werde jetzt einfach meine eigene – unabhängige – Unterschriftenliste auflegen. Wer seinen Job behalten will, unterschreibt einfach :).“

Die ORF-Mitarbeiter dürfen den Scherz als moralische Unterstützung verstehen: Sie haben Donnerstag eine Unterschriftenaktion gestartet, mit der sie „ein bedingungsloses Bekenntnis zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ablegen“ und die ORF-Geschäftsführung offen kritisieren: „Während Dienstposten in den Redaktionen in längst unerträglichem Ausmaß reduziert werden, gibt es für Stellen, die zur Erfüllung parteipolitischer Wünsche neu geschaffen werden, offenbar Geld.“

ORFler fordern „völlig neuen“ Stiftungsrat

Pelinka wird in dem bewusst bis zum Ende der Ausschreibung am 10.Jänner zur Unterschrift aufliegenden Text nicht namentlich genannt, doch es ist klar, wer gemeint ist: neben ihm auch Thomas Prantner, für den auf Wunsch der FPÖ der Posten eines Technik-Vizedirektors neu geschaffen wurde, der neue Bundesländerkoordinator Robert Ziegler (er kommt aus dem ÖVP-dominierten NÖ-Landesstudio) oder auch der ehemalige VP-Parteisekretär Helmut Krieghofer, der ab 1.Jänner Tiroler Landesdirektor ist. Ziegler und Krieghofer waren als Stiftungsräte an der Wiederwahl von Wrabetz beteiligt.

Die ORFler wollen dem Übel an der Wurzel zu Leibe rücken und fordern ein „völlig neues“ Aufsichtsgremium für den ORF: maximal zwölf bis 15 Leute, die entsprechende wirtschaftliche und/oder mediale Qualifikationen nachweisen können. Wie ein Rundruf der „Presse“ ergab, wollen, wie die ORF-Redakteure auch, die Grünen den Stiftungsrat in seiner jetzigen Form ablösen und fordern eine Art „sich selbst erneuerndes Gremium“, wie der grüne Mediensprecher Dieter Brosz erklärt: Nach einem „Startgremium“, das mit einer Zweidrittelmehrheit durch das Parlament bestimmt werden könnte, solle sich der „Stiftungsrat neu“ von der Politik emanzipieren und von sich aus erneuern.

Brosz will den derzeitigen Druck der laufenden Debatte nützen: Die Politik solle rasch über eine Frist von vier Jahren debattieren, in der ein direkter Wechsel vom Stiftungsrat in einen ORF-Job ausgeschlossen ist. „Denn ein solcher ist per se problematisch und im Fall Pelinkas, wie auch bei anderen, eine Farce, wenn die Besetzung zuerst bekannt gegeben wird und dann die Ausschreibung erfolgt“, so Brosz. Für den FP-Medienexperten Harald Vilimsky zeigt der Fall eine „neue Qualität von Unverschämtheit“ bei der – parteipolitisch motivierten – Postenbesetzung im ORF. Auch er fordert „eine Art Abkühlungsmodell“: Mitglieder des Stiftungsrates sollten mindestens vier Jahre nicht ins Unternehmen „und schon gar nicht in die Geschäftsführung“ gehen dürfen.

Auch der grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher ist verstimmt: „Ich habe die Geschäftsführung zu kontrollieren und zu überwachen – und wenn der ORF-Generaldirektor schon vor einer Ausschreibung bekannt gibt, wer es wird, dann drängen sich mir schon Fragen auf“, sagt er zur „Presse“. Dass in der Ausschreibung nun dezidiert steht, dass gleich qualifizierte Frauen bevorzugt werden, könnte unter anderem glücklose Bewerberinnen dazu motivieren, ihre Ablehnung anzufechten. Embacher befürchtet, dass dem ORF durch die „ungeschickte Vorgangsweise“ der Geschäftsführung arbeitsrechtliche Verfahren drohen. „Schon nach der Direktorenwahl 2006 hat es ein langwieriges Beschwerdeverfahren eines nicht zum Zug gekommenen Bewerbers gegeben. Einiges davon ist auf den jetzigen Ablauf umlegbar.“

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf glaubt aber ohnehin, dass Wrabetz „den internen Druck nicht aushalten“ und von sich aus auf Pelinka verzichten werde. Einmischen wolle er sich jedoch nicht: Die Entscheidung liege beim ORF-Generaldirektor.

Tatsächlich sollte keine Partei wettern – Postenschacher aller Couleurs hat im ORF Tradition. Veranschaulichen lässt sich das z.B. an einer Reihe von ORF-Generalsekretären: Heribert Steinbauer war später Mediensprecher der ÖVP; Heinrich Keller wurde SPÖ-Zentralsekretär; Kurt Bergmann saß für die ÖVP im Nationalrat, als ihn Gerd Bacher zum ORF zurückholte; Gerhard Zeiler wechselte direkt aus dem SP-Kanzleramt (er war Pressesprecher) auf den Posten, Andreas Rudas aus dem SP-Zentralsekretariat. Personalrochaden stehen im ORF nach jedem Machtwechsel auf der Tagesordnung (siehe Kommentar). Auch kleinere Parteien werden mit Posten belohnt, wenn sie die Wahl eines ORF-Chefs unterstützten.

Grüne: „Großes Personalpaket geschnürt“

Embacher hat bei den nunmehrigen Personalentscheidungen „den starken Eindruck, dass es ein großes Personalpaket gibt, das geschnürt wurde“. SP-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer wiegelt ab: Pelinka sei kein Partei-Adlatus, der die Berichterstattung im Sinne der SPÖ steuern soll. „Weder der Kanzler noch ich haben Pelinka dort hingeschickt.“ Den Kritikern unterstellt Ostermayer „demokratieverachtende“ Tendenzen: Ob man das oberste Aufsichtsgremium des ORF mit Parteienvertretern beschicken soll, „kann man diskutieren“ – er kenne in einer repräsentativen Demokratie aber keine bessere Alternative. Dass die Zugehörigkeit zu einer Partei negativ dargestellt werde, sei „im Grunde genommen etwas Demokratieverachtendes“, meint er.

Die Causa Niko Pelinka

Am 23.Dezember erklärte ORF-Chef Alexander Wrabetz, dass Nikolaus Pelinka (*1986) per 1.Jänner sein Büroleiter wird. Pelinka gilt als SP-Wunsch: Er war Sprecher von Ministerin Claudia Schmied, leitet
den SPÖ-Freundeskreis im Stiftungsrat,
war in der PR-Abteilung der ÖBB be-
schäftigt.

Erst am 28.Dezember wurde der Posten – wie es das Gesetz vorsieht – ausgeschrieben. Die Ausschreibung läuft bis 10.Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2011)

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