ORF-Chef Wrabetz: Des Generals neue Minister

(c) ORF (Thomas Ramstorfer)
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Mit 1. Jänner beginnt die zweite Amtszeit von Alexander Wrabetz als ORF-Chef. Er regiert mit einem neuen - verkleinerten - Team, bekommt mehr Gebühren, die Kathrin Zechner für mehr Eigenproduktionen ausgeben soll.

Die Uniform wird sich nicht ändern. Alexander Wrabetz trägt keine. Trotzdem ist er ab heute eine weitere Amtsperiode lang „der General“ – wie jeder ORF-Chef vor ihm. Nur Gerd Bacher hat es zum „Tiger“ gebracht. Wrabetz brüllt zwar auch manchmal. Aber selten. Es ist nicht seine Art und bleibt Ausnahmesituationen vorbehalten wie jener, die sich dieser Tage im ORF abspielte, als Wrabetz SPÖ-Emissär Niko Pelinka als seinen neuen Bürochef präsentierte – und wegen der Durchschaubarkeit der politischen Absicht und des Fehlens einer Ausschreibung ins Kreuzfeuer der Kritik geriet.

Seine Rage wird sich bald legen. Wrabetz, wiewohl aus einem FPÖ-geprägten Elternhaus einst Vorzugsstimmen-Wahlkämpfer von SP-Klubobmann Josef Cap, ist ein Meister im Durchstehen schwieriger beruflicher Situationen. Als ihn Mitte seiner ersten Amtszeit SP-Kanzler Werner Faymann per Schleudersitz aus dem ORF befördern wollte, trotzte der 51-jährige Jurist erfolgreich allen Umsturzversuchen.


Der Journalist: Karl Amon. Geholfen hat ihm dabei Karl Amon – weil er sich gegen Faymanns Wunsch partout nicht auf den medialen Kaiserthron hieven lassen wollte – und mit dem weniger absturzgefährdeten Chefsessel im Radio vorliebnahm. Das sei sein Traumjob, wiederholte Amon gebetsmühlenartig. Das kann man ihm glauben. Auch mit seinen seit gestern 61Jahren – Amon hat zu Silvester Geburtstag – ist und bleibt er Vollblutjournalist. Über dreißig Jahre ist er im Job – hat 1978 in der ORF-Parlamentsdirektion begonnen, nebenbei Volkswirtschaft studiert, später die „ZiB2“ geleitet, war Chefredakteur im Hörfunk und TV und wurde im Oktober 2010 zum Hörfunkdirektor bestellt. „General“ Wrabetz hat ihn nun wieder zu einem seiner „Minister“ gemacht. Amons journalistische Qualitäten sind unumstritten – aber auch die Tatsache, dass er in der SPÖ gut gelitten ist und nach wie vor als möglicher Kandidat für höhere ORF-Weihen gilt.

In den Gängen der ORF-Radios wird derzeit aber weniger über Amon getuschelt – von ihm sind keine gröberen Neuerungen zu erwarten –, vielmehr machen Gerüchte über Personalrochaden die Runde: Ö3-Chef Georg Spatt könnte TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm beerben – und Robert Kratky künftig den Popsender leiten. Das klingt nicht nach Amon. Das klingt nach Kathrin Zechner.

Der Wirbelwind: Kathrin Zechner. Sie hat, kaum war sie als neue Fernsehdirektorin des ORF designiert, ihre Fühler im Haus ausgestreckt, um Leute um sich zu scharen, die das fast unmenschliche Maß an Arbeit bewältigen können, das sie als Workaholic nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Mitarbeitern abverlangt. Schon bei den ersten Sitzungen im ORF, die sie in ihrem Urlaub noch als Intendantin der Vereinigten Bühnen Wien absolvierte, soll vor allem das Pensum Kaffee für Bewunderung gesorgt haben, das diese zierliche Frau verträgt: „Acht Tassen in drei Stunden ohne umzufallen – da waren wir alle beeindruckt“, erzählt einer, der dabei war.

Die 48-jährige Juristin, die das Fernsehmanagement als enge Mitarbeiterin des heutigen Chefs der RTL-Group (und ehemaligen SP-Kanzler-Sprechers) Gerhard Zeiler gelernt hat, wird das Fernsehprogramm gehörig auf den Kopf stellen – wie sie es schon 1994 als Zeilers Programmintendantin im ORF getan hat. Schon vor ihrem nunmehrigen Dienstantritt hat sie dafür gesorgt, dass es über und in „Contra – der Talk“ keine Diskussionen mehr gibt. Die Sendung wurde eingestellt. Das Dienstagmagazin „Direkt“ gilt ebenso als Ablösekandidat wie die „ZiB Flashes“, die durchgeschalteten Kurz-„ZiB“ weichen könnten.

Vorausgesetzt: Zechner setzt sich im Informationsbereich durch. Zwar vereint der neu geschaffene Posten der Fernsehintendantin so gut wie alle Bereiche der bisherigen Programm- und Informationsdirektion, doch es könnten sich im Zuge der nötigen Umstrukturierung Grabenkämpfe mit Wrabetz und/oder den Chefredakteuren Fritz Dittlbacher (TV) bzw. Stefan Ströbitzer (Radio) entzünden. Noch ist offen, ob Zechner Channel Manager für ORF eins und ORF2 einführt – die Wiederbelebung der Entwicklungsabteilung hingegen gilt bereits als so gut wie fix.

Zittern muss Dominic Heinzl, dessen Society-Format „Chili“ den ORF jährlich 2,5Millionen Euro kostet, in der Publikumsgunst jedoch nur leise vor sich hin köchelt. Heinzls Vertrag läuft Ende 2012 aus – Zechner könnte die Chance zum Absprung nützen und sich auf Neues stürzen. Jung und dynamisch sind dabei die Worte, die in letzter Zeit am häufigsten zu hören waren. Hilfreich dürfte sein, dass sie mit mehr Geld fürs Programm rechnen darf.


Der Geschäftsmann: Richard Grasl. Auf dem Geldsack sitzt seit zwei Jahren Richard Grasl. Der im Landesstudio des ÖVP-dominierten Niederösterreich zu höheren ORF-Ehren herangereifte Wirtschaftswissenschaftler wird auch in der Ära Wrabetz II dafür sorgen, dass nicht mehr ausgegeben wird, als da ist. Der 38-Jährige ist per 1.Jänner außerdem für die Programmwirtschaftlichen Leiter zuständig – und hat damit direkt mitzureden, für welche Programme Geld zur Verfügung gestellt wird. Dass sich 2012 ein bisschen mehr ausgeht, dafür sorgt eine Gebührenerhöhung: Inklusive der 30 Mio. Euro an Refundierung, die die öffentliche Hand dem ORF 2012 wegen Gebührenbefreiungen zahlt, wird der ORF knappe 600 Mio. Euro aus diesem Bereich einnehmen. Insgesamt werden sich die Umsätze laut Finanzplan 2012 auf 925 Millionen Euro belaufen – um 8,5 Millionen mehr als 2011. Wrabetz hat dafür „ein Rekordvolumen an Eigenproduktionen“ versprochen.

Der Techniker: Michael Götzhaber. Vierter im Bunde der geschrumpften ORF-Ministerriege ist Michael Götzhaber (45). Der HTL-Absolvent und ehemalige ORF-Techniker, der zuletzt die Technische Direktion mit anderen operativ leitete, war lange Betriebsrat und saß bis vor Kurzem im ORF-Stiftungsrat inmitten der roten Reichshälfte. Alle neuen Direktoren gelten – so wie der von Wrabetz als Büroleiter gewünschte Pelinka – als Teil eines politisch paktierten Personalpakets. Mit von der Partie: Online-Direktor Thomas Prantner, der auf FPÖ/BZÖ-Wunsch Götzhabers Stellvertreter in der Technischen Direktion wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.01.2012)

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