Ewiger Streit um den Öffentlich-Rechtlichen

Der gebühren- bzw. steuerfinanzierte Rundfunk ist überall, wo es ihn gibt, ein Hort stetigen Kampfes rund um Verschwendung und politische Einflussnahme.

Wien. Das duale Rundfunksystem, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk Gebühren erhält, die Privatsender aber nicht, sorgt immer wieder für Auseinandersetzungen. Hier wie da werden den öffentlichen Sendeanstalten ihre hohen Verwaltungskosten und ineffizienten Strukturen vorgeworfen. Auch der politische Einfluss ist immer wieder ein Thema. Und doch kommt das System des gebührenfinanzierten Rundfunks in den meisten europäischen Ländern zur Anwendung, manchmal in etwas abgewandelter Form. „Die Presse“ gibt einen Überblick über die Situation in Europa und den USA:

Großbritannien: Die „alte Tante“ BBC (British Broadcasting Corporation) ist das Vorbild für die meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa. 1922 wurde sie als Radiosender gegründet. Konkurrenz erhielt sie schon 1955 mit dem Privatsender ITV. Die Briten müssen derzeit 145,50 Pfund (174 Euro) im Jahr für ihre Rundfunkanstalt zahlen, allerdings sind die Gebühren bis 2017 eingefroren. Vergangenes Jahr kündigte die BBC von sich aus ein rigides Sparprogramm an. Die Ausgaben für Sportrechte, Unterhaltungsserien und den Internetauftritt sollen um bis zu ein Viertel sinken. In den nächsten fünf Jahren werden außerdem 2000 Arbeitsplätze (von rund 18.000) eingespart.

•Deutschland: Die ARD, ein Zusammenschluss aus neun regionalen Rundfunkanstalten, ist der weltweit größte nichtkommerzielle Fernseh- und Radiosender. Daneben gibt es noch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das 1961 als Gegengewicht zur eher sozialdemokratisch dominierten ARD gegründet wurde. Dort gab es zuletzt Querelen, weil Mitglieder der bürgerlichen CDU sich weigerten, den Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender zu verlängern. Trotz großen Widerstands in der Öffentlichkeit wurde Brender abgewählt und im April 2010 durch Peter Frey ersetzt. Vor wenigen Wochen wurde in Deutschland außerdem eine Haushaltsabgabe beschlossen, die die alte Rundfunkgebühr ersetzt. Im Klartext heißt das: Auch wer kein Radio oder Fernsehgerät besitzt, zahlt künftig die volle Gebühr (17,98 Euro pro Monat).


•Frankreich: Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat 2008 eine tiefgreifende Rundfunkreform auf den Weg gebracht. Diese gibt ihm die Möglichkeit, den Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens persönlich zu bestimmen. Das Parlament und ein Aufsichtsgremium müssen seiner Nominierung zustimmen. So geschehen im Sommer 2010: Seither steht sein Kandidat Rémy Pflimlin an der Spitze von France Télévisions. Bei der Reform wurde auch ein umfassendes Werbeverbot für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschlossen. Die fehlenden Einnahmen werden durch eine Sonderabgabe für Telekomunternehmen und Privatsender kompensiert.

•Niederlande: Anders als in Österreich und vielen anderen europäischen Ländern gibt es in den Niederlanden keine Rundfunkgebühr. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk NPO (Nederlands Publieke Omroep) erhält seine Mittel direkt vom Staat. Eingehoben werden sie in Form von Steuern. Befürworter einer solchen Form der Finanzierung argumentieren, dass die personal- und kostenintensive Einhebung der Gebühren wegfällt. Die direkte Finanzierung störte jedoch die EU-Kommission, die ein Beihilfeverfahren einleitete. Nach einigen Zugeständnissen der holländischen Regierung wurde das Verfahren aber eingestellt.

•Italien: Auch in Italien finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk (RAI) über eine Steuer, den sogenannten „canone“. Trotz allem leidet RAI unter finanziellen Engpässen. Übertragungsrechte für Sportereignisse kann sich nur die private Konkurrenz leisten. Schärfster Konkurrent ist die Sendergruppe Mediaset des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Die RAI ist seit jeher ein Hort ständiger Streitereien um politische Einflussnahme. Im Mai ist der wegen seines regierungstreuen Kurses viel kritisierte Chef der Anstalt, Mauro Masi, zurückgetreten. Seine Nachfolgerin ist Lorenza Lei. Ihre Aufgabe ist unter anderem, ein scharfes Sparpaket umzusetzen: Dienstreisen wurden reduziert, Gehaltserhöhungen abgeschafft.

•USA: In den Vereinigten Staaten finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem Großteil aus Spenden. Dazu gehen die Fernseh- und Radiosender alljährlich von Tür zu Tür und rufen in ihren Sendungen zu freiwilligen Gaben auf. Der Rest der Finanzierung kommt direkt aus der öffentlichen Hand. Der Verbund der öffentlichen Radiosender, NPR, wird oft von konservativen Amerikanern wegen seiner liberalen Haltung kritisiert. Auch um den Inhalt des Fernsehsenders PBS wird oft gestritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2012)

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