"Betriebsunfall" in der ORF-Chefetage

Betriebsunfall ORFChefetage
Betriebsunfall ORFChefetage(c) APA (Helmut Fohringer)
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Alexander Wrabetz startet vorerst ohne Bürochef Niko Pelinka in seine zweite Amtszeit - dafür mit einer wütenden Belegschaft, die ihn mit allen Mitteln zur Rücknahme seiner Postenbesetzung zwingen will.

Am Montag hätte Nikolaus Pelinka seinen Job als rechte Hand von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz antreten wollen. Zumindest hat er angedeutet, er werde an diesem Montag ins ORF-Zentrum auf dem Küniglberg kommen und mit dem Einrichten seines Büros beginnen. Der 25-Jährige, bisher von der SPÖ entsandter Stiftungsrat, dürfte seine eifrigen Pläne für das neue Jahr in der Zwischenzeit noch einmal überdacht haben, denn sein Einzug ins Vorzimmer von „Alex“, wie er den ORF-Chef nennt, ist alles andere als sicher. Pelinka könnte sogar kurzfristig Joblosigkeit blühen, denn seinen alten Job als Public-Affairs-Manager bei den ÖBB hat er bereits gekündigt.

Zu einer echten Machtprobe wird die unüberlegte Personalie für Wrabetz, der mit 1. Jänner seine zweite Amtszeit als ORF-Chef begonnen hat. Wäre ihm der Lapsus mit der Verkündung der Pelinka-Bestellung ohne die gesetzlich vorgeschriebene Ausschreibung des Postens nicht passiert, hätte er den Start in weitere fünf Jahre an der Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ruhiger beginnen können. So war die ohnehin sehr verhaltene Kritik an der offensichtlich parteipolitisch beeinflussten Besetzung seines zweiten Direktoriums im Spätsommer längst verhallt. Nun aber ist der neue, alte ORF-Boss mit massiver Kritik aus dem eigenen Haus und viel Häme in Printmedien und der bestens via Internet vernetzten Medien-Community konfrontiert.

„Bisher hat man das eleganter gemacht“

Einen „Betriebsunfall“ nennt Wolfgang Buchner, einstiger ORF-Personalchef, die Verkündung der Pelinka-Bestellung ohne vorherige Ausschreibung. Schließlich wisse im ORF jeder bis zur kleinsten Sekretärin, dass und wie Posten auszuschreiben sind. In §27 des ORF-Gesetzes steht, dass „sämtliche Stellen im Österreichischen Rundfunk“ durch Verlautbarung im Amtsblatt zur „Wiener Zeitung“ öffentlich auszuschreiben sind. Der Gesetzgeber wollte so, ähnlich wie im öffentlichen Dienst, sicherstellen, dass Posten fair und transparent vergeben werden.

Von „fair“ und „transparent“ war der ORF bei Personalentscheidungen seit jeher meilenweit entfernt. Der Posten des Büroleiters beim Chef wurde immer schon mehr nach persönlichen Vorlieben und unter Erfüllung politischer Wunschzettel als nach fachlicher Eignung besetzt. „Nur hat man das bisher eleganter gemacht“, sagt Jurist Buchner. Sogar ORF-intern wird nun versucht, die vielen Ungereimtheiten in dem jüngsten Besetzungsdrama mit dem Satz „Das war schon immer so“ zu rechtfertigen. Die Einstufung der Büroleiter als Redakteure etwa sei historisch gewachsen: Frühere Generaldirektoren oder -intendanten, wie sie bis 2001 hießen, holten sich ihre Büroleiter mit Vorliebe aus der Redaktion. Gerd Bacher etwa engagierte Roland Adrowitzer und Gerhard Vogl. Die nahmen ihre Redakteursverträge in den neuen Posten mit, obwohl die Arbeit keine journalistische Tätigkeit war. Diese sachlich nicht gerechtfertigte Änderung der Verträge wurde zur ORF-Sitte, weil sie Vorteile bringt: mehr Urlaub, eine längere Kündigungsfrist, den Journalistenausweis. Einziger Nachteil für das Dreamteam Pelinka/Wrabetz: Gemäß Redakteursstatut haben die ORF-Redakteure ein Mitspracherecht bei personellen Entscheidungen, die journalistische Mitarbeiter betreffen. Dieses Recht wollen sie nun bis zum Äußersten ausreizen.

Schließlich besteht die Sorge, dass Pelinka seine neue Aufgabe im ORF weniger als Büroleiter, sondern eher als Generalsekretär anlegen könnte. Wer Pelinka kennt, ahnt, dass er sich weniger auf die Aufbereitung von Akten (dafür wird nämlich ein zusätzlicher neuer Assistent in der Generaldirektion gesucht) als auf die Planung der operativen Geschäfte konzentrieren wird. Er ist als engster Mitarbeiter des Generaldirektors nicht nur bei allen entscheidenden Sitzungen dabei, sondern hat Zugriff auf das ORF-Redaktionssystem und – sollte Wrabetz, wie angekündigt, die Agenden des ab sofort abgeschafften Infodirektors an sich reißen – auf die Redaktion des Aktuellen Dienstes.

Vorschlag: Das Politsystem ORF ändern

Könnten Wrabetz' jüngste Fehltritte ein juristisches Nachspiel haben? Bekommt Niko Pelinka tatsächlich den versprochenen Posten, könnten sich Bewerber, die nicht zum Zug gekommen sind, als „persönlich Betroffene“ oder 120 Gebührenzahler in Form einer „Popularbeschwerde“ an die ORF-Aufsichtsbehörde (das ist seit 2010 die KommAustria) wegen der Verletzung des ORF-Gesetzes wenden. Allerdings muss Wrabetz außer mit dem Vertrauensverlust seiner Mitarbeiter mit keinen gesetzlichen Konsequenzen rechnen.

ORF-Redakteursrat und Journalistengewerkschaft sind sich sicher, sie können Wrabetz mit einer Unterschriftenaktion und zur Not mit juristischen Mitteln zwingen, seine „rechtlich nicht haltbaren“ Personalentscheidungen rückgängig zu machen. Zudem wollen sie die Besetzung der nachträglich ausgeschriebenen Büroleiterstelle mit Massenbewerbungen in die Länge ziehen.

Experten raten den Redakteuren, die Energie eher dafür aufzuwenden, bei der Politik und in der ORF-Chefetage eine Änderung des aufgeblähten, unbeweglichen Staatsrundfunks ORF zu erzwingen. Sie empfehlen, die Aufsichtsgremien zu verkleinern und die Posten der Stiftungsräte ebenfalls auszuschreiben. Scheitern wird so eine ORF-Reform am Willen der Politik, die sich ihr Macht- und Meinungsmedium ORF erhalten will und in der vergangene Woche auffallend still geblieben ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2012)

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