„Im Interesse des ORF“: „ZiB“-Redakteure fordern Pelinka zum Verzicht auf

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Zehn bis zwanzig Bewerber sollen zum Hearing geladen werden. Der offene Brief der „ZiB“-Redaktion sorgt für neuen Zündstoff. Sie fordern Pelinka auf, „im Interesse des ORF Ihre Bewerbung zurückzuziehen“.

Nicht nur die öffentliche Debatte kennt derzeit mit ORF-General Alexander Wrabetz und seinem designierten Büroleiter Niko Pelinka kein Pardon. Auch intern nähert sich die Causa prima dem Siedepunkt: Die Sache sei ein „Trauerspiel“, die Vorgehensweise von Wrabetz (der den Posten ohne Ausschreibung vergeben hatte) wirke „wie ein Säureattentat auf das Ansehen und die Unabhängigkeit des ORF“, so ein Mitglied des ORF-Stiftungsrats zur „Presse“. Der Pressespiegel zum ORF sei derzeit nicht nur „doppelt bis dreimal so dick wie bisher“ – er enthalte auch „keine einzige positive Meldung“ zur Debatte. Am Freitag lieferten die Redakteure der „ZiB“-Redaktion einen weiteren Beitrag zur Negativliste: In einem offenen Brief forderten sie Pelinka auf, „im Interesse des ORF Ihre Bewerbung zurückzuziehen“. Dieser sagt, er habe das Wrabetz ohnehin angeboten, der hält aber weiterhin an Pelinka fest.

Pelinka habe durch seine Aussage, er werde die ORF-Mitarbeiter mit seinen „täglichen Handlungen überzeugen“ bewiesen, „dass Sie unsere Sorgen keineswegs verstehen“, heißt es weiter: „Unsere Hauptsorge gilt nämlich der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ORF“. Diese würden „durch Ihre nahtlose Übersiedlung von der Spitze der SPÖ-Fraktion im ORF-Stiftungsrat in die Generaldirektion schwerst beschädigt – und zwar völlig unabhängig von Ihren allfälligen Handlungen als Büroleiter“. Die Redakteure stört auch, dass Pelinka sein politisches Engagement herunterspielt: „Trotz des Fraktionsvorsitzes im Stiftungsrat, Ihrer Arbeit für einen Abgeordneten und eine Ministerin sowie der mehrfachen Kandidatur auf Wahllisten der SPÖ haben Sie in einem Interview erklärt, sie seien ,nie für eine Partei tätig‘ gewesen. Das zeigt uns, dass Sie und wir offenkundig ein grundsätzlich anderes Verständnis von politischer Unabhängigkeit haben.“

Auch die nächste Woche dürfte weiterhin spannend für den ORF werden. Schon Anfang der Woche sollen die Hearings für den Büroleiterposten stattfinden, zu denen angeblich zehn bis zwanzig Bewerber eingeladen werden. Die Kommission soll aus vier ORF-Vertretern (zwei Frauen, zwei Männern) bestehen, Zuhörer und Beobachter sind Gleichstellungsbeauftragte Monika Rupp und Generaldirektor Wrabetz, der die Letztentscheidung in der Personalfrage hat.

Nicht zum Zug gekommene Bewerberinnen, „die für die Stelle gleich oder gleichwertig geeignet sind“, könnten sich an die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt wenden, erklärt die zuständige Senatsvorsitzende Eva Matt auf Anfrage der „Presse“. Sie könne zwar „keine Einschätzung abgeben“, ob es gegen das Gesetz verstößt, den Posten ohne Ausschreibung zu vergeben, „in genau zu prüfenden Einzelfällen“ könne so eine Vorgehensweise aber eine Diskriminierung darstellen. Allerdings nur, wenn die Bewerberin bereits im ORF arbeitet. Geschädigte könnten beim Arbeits- und Sozialgericht Schadenersatz einklagen.

Genügend Sprengstoff also für jene Sondersitzung am Freitag, in der sich der ORF-Stiftungsrat eigentlich dem schlechten baulichen Zustand des ORF-Zentrums am Küniglberg widmen wollte (siehe Info-Kasten).

Breivik-Mail: Behörde rügt Robert Ziegler

Unterdessen hat die Medienbehörde einer Beschwerde gegen den Stiftungsrat und stv. Chefredakteur im ORF-NÖ, Robert Ziegler, recht gegeben. Er hatte im Sommer in einem E-Mail alle Redakteure aufgefordert, den norwegischen Attentäter Anders Breivik nicht als „christlichen Fundamentalisten“, sondern als „religiösen Fanatiker“ oder als „Rechtsextremisten“ zu bezeichnen. Mit dieser Anweisung habe er „die Freiheit journalistischer Berufsausübung verletzt“, zitiert der Branchendienst etat.at aus dem Bescheid.

Sondersitzung im ORF

Neben der Causa Pelinka soll in der Sondersitzung des Stiftungsrates am 20. Jänner die Sanierung des ORF-Zentrums Thema sein. Im April müssen 600 Mitarbeiter aus dem Hauptgebäude ausziehen, nun wird nach einem Ausweichquartier gesucht und geprüft, ob die Büros in den Nebengebäuden am Küniglberg so umgestaltet werden können, dass dort einige der 600 Mitarbeiter für die zwei Jahre dauernde Sanierung Unterschlupf finden. Ob der ORF am Küniglberg bleibt oder wegzieht, muss im 1. Halbjahr 2012 entschieden werden.

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