Ursula Strauss: "Immer in der Puppenecke"

Ursula Strauss Immer Puppenecke
Ursula Strauss Immer Puppenecke(c) Clemens Fabry
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Ab Dienstag steht Ursula Strauss als einsame Trinkerin aus Christine Nöstlingers "Iba de gaunz oamen Leit" im Rabenhof auf der Bühne. Ihr Weg zur erfolgreichsten TV-Kommissarin des ORF war steinig.

Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da einlasse!“ Hätte sie eine gehabt, Ursula Strauss wäre womöglich heute Kindergartenpädagogin. Die Ausbildung dafür hat sie gemacht, weil ihr die vorpubertären Träume von der Schauspielerei „mit vierzehn dann doch schwachsinnig“ vorgekommen sind. Unrealistisch. Catherine und Audrey Hepburn haben sie fasziniert. Romy Schneider war das große Vorbild: „Junge Frauen, die was Besonders haben. Die waren so schön anzuschauen. Ich bin da völlig reingekippt.“ Daheim in Pöchlarn, wo sie mit ihren drei Brüdern und den Eltern lebte, übte die kleine Ursula heimlich vor dem Spiegel, ob sie auch auf Befehl weinen oder lachen kann. „Das hat natürlich nicht funktioniert.“ Dabei seien Rollenspiele schon im Kindergarten ihre Lieblingsbeschäftigung gewesen: „Ich war immer in der Puppenecke.“

Irgendwann rutschte es ihr dann doch heraus – das mit der Sehnsucht nach der Theaterluft. Und weil sich ihr Bruder fragen traute, landete sie auf der Bühne der Plattform Theatermühle in Melk, wo sie „mit dem Mut der Ahnungslosen“ in einer dramatischen Paraderolle als Lady Macbeth ihre erste richtige Rolle spielte. Und? „Es war geil zu wissen, dass das Schauspielen wirklich das ist, was mich erfüllt. Ich bin aufs Klo gegangen, weil ich nicht wusste, wohin mit diesem Glücksgefühl.“


Immer wach bleiben! Doch der Weg zum Erfolg war steinig. Auch eine fundierte Ausbildung (in ihrem Fall die Schauspielschule am Volkstheater) ist keinerlei Garantie dafür, Geld zu verdienen. „Ich kenne die Situation, in der man um jedes Engagement bangt. Es ist ein schmaler Grat zur Arbeitslosigkeit. Das ist aber auch das Tolle: Man muss immer wach bleiben, weil es jederzeit vorbei sein kann.“ Für sie sei das auch „ein Prozess des Erwachsenwerdens“ gewesen: Mit dem Geld, mit dem Leben in einer Großstadt und mit Kritikern musste Strauss erst umgehen lernen. Obwohl mittlerweile ganz oben auf der Erfolgsleiter, kann sie deshalb schwierige Lebenssituationen gut nachvollziehen und schlüpft mit größtem Vergnügen in schwierige Rollen.

Ab Dienstag steht sie am Rabenhof in Wien auf der Bühne: in einer szenischen Umsetzung von Christine Nöstlingers sozialkritischen, aus den 1970er-Jahren stammenden Mundartgedichten „Iba de gaunz oamen Leit“. „Ich spiele eine Frau, die mit den Kindern überfordert ist, vom Partner allein gelassen wird und sich ins Trinken flüchtet.“ Diese einsame Figur schwankt zwischen Machtfantasien und Selbstmordversuch. „Ich kenne solche Existenzängste selbst gut. Und ich sehe sie als Bilder auf der Straße – oft ist es nur ein Augenblick, in dem man einem anderen Menschen in die Augen schaut. Das speichert sich ein. Das nährt dann die Texte.“ Aber Vorsicht ist geboten: „Man muss zwar durchlässig bleiben, aber darf nicht reinkippen in die Emotion. Die Texte von Nöstlinger verlangen große Distanz. Fast wie bei Horváth: Da liegt auch alles drunter und kommt nie an die Oberfläche.“
Eine Rolle als Lotto-Jackpot. Strauss schwärmt von der „Musikalität, dem Zynismus, der Schönheit“ von Nöstlingers Formulierungen. Mit der Wiener Mundart hat sie kein Problem: „Mei Dialekt, wenn i eam richtig red, is ja a sehr bodenständig.“ Ganz anders spricht sie in ihrer Rolle als Chefinspektorin in „Schnell ermittelt“: Da redet Strauss mit leisem Wiener Unterton gepflegtes Hochdeutsch. Dass sie damit so viel Erfolg hat, fühlt sich an „wie ein Lotto-Jackpot“: „Als ob das wer anderer wäre, dem das passiert.“ „Schnell ermittelt“ startete am Dienstag in die vorerst letzte Staffel – und ist die erfolgreichste ORF-Eigen- bzw. Koproduktion am Krimisektor (vor „Soko Donau“ und den „Rosenheim Cops“). Knapp 800.000 Zuschauer wollten den Auftakt zum Staffelstart sehen.

„Schnell ist super“, findet Strauss. Das liegt einerseits an der interessanten Figur: „Die ist oft tough im Umgang mit Männern – das gefällt vielen Zuschauerinnen nicht, aber so ist eine Chefin der Mordkommission. Außerdem hat sie auch eine total empathische Seite.“ Die sei wichtig. Deshalb mag Strauss auch „CSI“ nicht: „Das ist mir zu kalt, die haben überhaupt keinen Schmäh und es ist mir zu amerikanisch.“ Bei „Schnell“ wird nicht aalglatt abgedreht. Oft werde am Set diskutiert: „Wie weit darf die Sympathie mit Opfern oder auch Tätern gehen? Wenn eine Frau ihren Peiniger umbringt, da entsteht für mich als Frau eine andere Atmosphäre, als wenn ich einen Typen inhaftiere, der eine Frau vergewaltigt und ermordet hat.“ Alle im Team würden an diesem Feintuning und der Entwicklung der Figuren mitarbeiten.

Der zweite Bonus der Serie ist für Strauss das in fünf Jahren zu „einer Familie“ zusammengewachsene Team: „Es ist nicht leicht, so lange nicht schwach sein zu dürfen, ständig Ideen zu haben, immer gut ausschauen zu müssen – auch wenn der eine Tag um fünf beginnt und bis acht Uhr dauert, der nächste dann von zwölf bis zwei Uhr nachts. Man darf nicht krank sein. Jeder Kopfschmerz, jeder verstauchte Finger kostet Qualität.“ Dass es trotzdem geht, liege an den Kollegen: „Die schauen dir in die Augen, wissen, was los ist, und heitern dich mit einem Schmäh auf.“ Kaffee hilft auch. Und schlimmstenfalls die Notfalltropfen.

Ursula Strauss (*1974 in Pöchlarn/NÖ) absolvierte eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin, danach die ehemalige Schauspielschule des Wiener Volkstheaters. Sie spielte an verschiedenen Theatern, ab 1999 auch in Filmen (in „Böse Zellen“, 2003; „Revanche“, 2008 – dafür erhielt sie einen Spezialpreis auf der Diagonale in Graz). Seit 2008 spielt Strauss die Hauptrolle in der ORF-Krimiserie „Schnell ermittelt“. Dafür erhielt sie 2010 eine Romy. Für ihre Rolle in Elisabeth Scharangs „Vielleicht in einem anderen Leben“ (2011) ist sie für den Österr. Filmpreis nominiert.

Im Rabenhof hat Strauss am kommenden Dienstag in Christine Nöstlingers „Iba de gaunz oamen Leit“ als einsame Trinkerin Premiere: 17.Jänner, 20Uhr. Weitere Termine: www.rabenhoftheater.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)

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