Stiftungsrat: Grüne fordern Reform

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Die Grünen wollen den Stiftungsrat neu gründen. Casinos-Austria-Vorstand Dietmar Hoscher wird neuer SPÖ-Stiftungsrat.

Nach dreieinhalb Wochen Negativschlagzeilen steht dem ORF der Sinn nach Positivem. Der Montag sei der „Tag der Rekorde im ORF“ gewesen, wurde in einer Aussendung gejubelt; gleich sechs Sendungen – darunter „Millionenshow“ und „ZiB2“ – hätten Spitzenreichweiten erzielt. Die Aussendung trägt die Handschrift von Kathi Zechner. Die neue TV-Chefin will in Ruhe am Programm arbeiten und sich nicht mit viel diskutierten Personalbestellungen aufhalten müssen.

Das wird ihr aber nicht erspart bleiben. Die aktuelle ORF-Debatte, ausgelöst durch die Bestellung von SP-Stiftungsrat Niko Pelinka zum Büroleiter von ORF-Chef Alexander Wrabetz, tritt gerade in ein neues Stadium ein: Nach langem Schweigen mischt sich die Politik mit Reformideen ein. Unter dem Motto „Parteipolitik raus. Echte Unabhängigkeit rein“ wollen die Grünen, das oberste Aufsichtsgremium des ORF, den Stiftungsrat reformieren und nach Vorbild der ÖIAG in ein sich selbst erneuerndes Gremium umwandeln. Heute, Mittwoch, wollen sie im Parlament einen Dringlichen Antrag einbringen, der Folgendes vorsieht:

Der Rat wird von 35 auf 15 Mitglieder verkleinert, fünf (ohne Mitspracherecht in Personalangelegenheiten) werden vom Zentralbetriebsrat bestellt. Der „restliche“ Stiftungsrat sucht sich seine Nachfolger selbst aus und soll so unabhängiger werden. Die Funktionsperiode dauert acht Jahre und ist einmalig. Bei der allerersten Wahl werden die zehn Stiftungsräte von einem Gründungskonvent gewählt, der aus bis zu 100 Personen besteht, die von Institutionen und Interessenverbänden (keine Parteien, keine Vorfeldorganisationen) entsandt werden.

Zusätzlich fordert man eine „Abkühlphase“: Stiftungsräte sollen nach ihrem Ausscheiden vier Jahre nicht in den ORF wechseln. Das Mitspracherecht der Landeshauptleute bei der Besetzung der ORF-Landesdirektoren soll fallen. Die Erfolgschancen für den Antrag schätzt der grüne Mediensprecher, Dieter Brosz, „kurzfristig gering, mittelfristig 50:50 ein – wenn der ORF Thema im Wahlkampf wird“. Er fürchte aber, dass das Thema mit dem Ende des Falls Pelinka vom Tisch sei, so Brosz.

Die anderen Parteien reagieren auf den Vorstoß der Grünen verhalten. Die ÖVP sprach von einer „Husch-pfusch-Aktion“; die SPÖ erklärte, man sei gegen eine „Änderung des ohnehin mehrfach novellierten ORF-Gesetzes“. Die FPÖ hegt zwar Sympathien für die Abkühlphase, will den Antrag aber nicht unterstützen. Solange der ORF nicht privatisiert sei, müsse die Politik im Stiftungsrat vertreten sein, sagt Mediensprecher Harald Vilimsky. Das BZÖ kündigte einen eigenen Entschließungsantrag an, es fordert bekanntlich eine Teilprivatisierung des ORF.

ORF-Zentralbetriebsrat Gerhard Moser kritisiert den Vorschlag als „unausgegoren“ und „nicht wirklich ernst zu nehmen“, vor allem weil das gesetzlich vorgesehene Mitspracherecht der Betriebsräte bei Personalentscheidungen beschnitten werde.

Wrabetz wird sich vor Freitag entscheiden

Unterdessen gibt es andere Neuigkeiten aus dem Stiftungsrat: Seit Dienstag hat er wieder 35 Köpfe – neuestes Mitglied ist Dietmar Hoscher, den die SPÖ überraschend als Nachfolger von Niko Pelinka ins Gremium schickt. Der 49-Jährige ist seit 1998 im Management der Casinos Austria, seit 2007 im Vorstand; er war bis 2006 SPÖ-Nationalratsabgeordneter und gilt als enger Freund von Ex-SPÖ-Finanzminister Rudolf Edlinger. Wie Hoscher sein Amt anlegen wird, dürfte noch nicht klar sein. Der APA sagte er zuerst, er „gehe davon aus“, dass er wie Pelinka Leiter des SPÖ-Freundeskreises werde. Kurz darauf korrigierte er sich: Es sei noch nicht sicher, der Freundeskreis müsse das beschließen.

Am Freitag tagt der Stiftungsrat zur Sanierung des ORF-Zentrums. Noch davor dürfte sich Wrabetz entscheiden, ob er Pelinka zum Bürochef macht oder dem Druck von allen Seiten nachgibt. Die Redakteure der Magazine appellierten am Dienstag an ihn, er möge die „imageschädigende Diskussion“ um den ORF beenden und auf die geplanten Postenbesetzungen verzichten. Das Protestvideo der „ZiB“-Redaktion wurde bisher auf YouTube 286.000 Mal angeklickt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2012)

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