Bläst Wrabetz die Büroleiter-Suche ab?

(c) Michaela Bruckberger
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Am Mittwoch wurde im Nationalrat über den Grünen-Antrag zur Erneuerung des ORF-Stiftungsrates diskutiert. Und es mehrten sich die Hinweise, Niko Pelinka werde doch nicht Büroleiter von Alexander Wrabetz.

Zuletzt verdichteten sich die Gerüchte, Niko Pelinka könnte den Schleudersitz betätigen und sich aus dem schlingernden ORF-Jet katapultieren. ORF-General Alexander Wrabetz werde spätestens am Donnerstag bekannt geben, dass Pelinka auf den ihm angebotenen Job als sein Büroleiter verzichten werde. Ein Hinweis darauf ist auch die Tatsache, dass es kein Hearing für den Büroleiter-Posten gibt, wie aus dem ORF zu hören war. Stellung nehmen wollte dazu niemand. ORF-Sprecher Martin Biedermann kündigte aber eine Erklärung des ORF-Chefs bis Donnerstag, spätestens aber bis zur Stiftungsratsitzung am Freitag an. Pelinka selbst war nicht erreichbar. Dem Vernehmen nach soll der ehemalige Leiter des roten „Freundeskreises“ im Stiftungsrat bereits einen anderen Posten in Aussicht haben. Kolportiert werden unter anderem Tätigkeiten beim Lebensmittelkonzern Rewe (Billa, Merkur) oder beim deutschen Bezahlsender Sky, wie die „Kleine Zeitung“ berichtet. Seinen Job in der Abteilung Public Affairs der ÖBB hat Pelinka wegen der Aussicht auf das ORF-Engagement mit Ende 2011 gekündigt.

Pelinkas Rückzug ist ein Paukenschlag, nachdem Wrabetz, aber auch der ORF-Stiftungsrat wochenlang versucht hatten, die öffentliche Debatte um politischen Postenschacher im ORF schweigend durchzustehen. Grund der Kritik: Wrabetz hatte am Nachmittag vor dem Heiligen Abend ein allem Anschein nach politisch motiviertes Personalpaket verkündet, in dem er Pelinka – einen Vertrauten von SP-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas – als seinen neuen Bürochef vorstellte, ohne den Posten vorher ausgeschrieben zu haben. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Auch ORF-intern: Ein von 55 „ZiB“-Redakteuren gemeinsam gemachtes Protestvideo hatten bis Redaktionsschluss 418.600 User auf YouTube gesehen.

Werner Faymann zitiert Armin Wolf

Unterdessen hat die Diskussion am Mittwoch auch den Nationalrat erreicht. Die Grünen verlangten in einem „Dringlichen Antrag“ eine Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats: Das Gremium solle stark verkleinert und nach dem Vorbild der ÖIAG (Österreichische Industrie Holding AG) in ein sich selbst erneuerndes Gremium umgewandelt werden. Der Rat solle auf einem Gründungskonvent von 50 bis 100 Vertretern des gesellschaftlichen Spektrums (ohne Parteien und deren Vorfeld-Organisationen) bestellt werden und sich danach selbst erneuern. Ein weiterer wichtiger Punkt: Ein Wechsel aus dem Stiftungsrat in den ORF wäre nach frühestens vier Jahren möglich.

Wenig überraschend lehnte SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann den Grünen-Antrag im Nationalrat ab – und erteilte dem Wunsch nach einer Entparteipolitisierung der ORF-Gremien eine Abfuhr: „Dass Parteien gar nichts mehr zu reden haben, das gibt es in ganz Europa nicht“, meinte Faymann. Über eine Verkleinerung des Stiftungsrats habe auch er nachgedacht, so Faymann – die Idee sei am Vorwurf gescheitert, man wolle die Opposition hinausdrängen.

SPÖ-Mediensprecher Josef Cap kann sich vorstellen, dass eine Abkühlphase für dem Umstieg vom Stiftungsrat in den ORF eingeführt wird. ÖVP-Mediensprecher Karlheinz Kopf fordert strukturelle Reformen, einen Stiftungsrat nach Vorbild einer AG und ein Ende der Alleingeschäftsführung.

Wie schnell man von der Politik für ihre Anliegen instrumentalisiert wird, musste am Mittwoch Armin Wolf erfahren. Der Kanzler zitierte aus einem „Profil“-Interview des „Zeit im Bild“-Moderators, um zu beweisen, dass die Situation im ORF nicht so schlimm sein könne: Wolf habe gesagt, dass es in den Redaktionen derzeit ein viel größeres Maß an Freiheit gebe, als er es im ORF jemals erlebt habe. Dass Wolf aber auch erwähnte, der ORF werde „politisch erpresst“, ließ Faymann unter den Tisch fallen. Wolf fühlte sich von Faymann „aus dem Zusammenhang gerissen“ zitiert, was er auf Twitter auch monierte. Daraufhin wurden Wolfs Tweets von einem FPÖ-Abgeordneten im Parlament verlesen.

Redakteure: „Thema nicht vom Tisch“

Egal, ob Pelinka in den ORF einzieht oder nicht: „Das Thema wäre damit nicht vom Tisch“, sagt Fritz Wendl, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats. „Es geht hier um ein System.“ Die Kritik richte sich nicht nur gegen Pelinka, sondern auch gegen jene, die als Mitglieder des Stiftungsrats direkt auf ORF-Posten wechseln oder befördert werden (neben Pelinka sind das aktuell: Michael Götzhaber als neuer Technischer Direktor, Helmut Krieghofer als Direktor des Landesstudios Tirol und Robert Ziegler, neuer Koordinator für die Landesstudios) bzw. gegen Personen, deren Aufstieg politisch unterstützt wird (z. B. Thomas Prantner, der den neu gegründeten Posten eines stellvertretenden Technikdirektors erhielt).

ORF ist an Lotto Toto beteiligt

Auch im Stiftungsrat morgen, Freitag, soll die Personaldiskussion Thema sein, wie dessen Vorsitzende Brigitte Kulovits-Rupp der APA sagte. Seinen ersten Auftritt hat dort Pelinkas Nachfolger Dietmar Hoscher. Der 49-Jährige ist seit 1998 im Casinos-Austria-Management, seit 2007 im Vorstand. Die Österreichischen Lotterien und der ORF sind eng miteinander verflochten: Der ORF ist zu 18,75 Prozent an der Lotto-Toto-Holding und damit auch an Lotterien beteiligt. Nun kontrollieren sie sich gegenseitig: Hoscher sitzt im ORF-Stiftungsrat, ORF-Chef Wrabetz im Aufsichtsrat der Lotterien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2012)

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