Wo beginnt, wo endet der Investigativjournalismus?

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Der Verleger Hans-Jörgen Manstein wettert gegen die „Amtsmissbrauchsjournaille“ als „Gefahr für die Zukunft des Journalismus“. Angesprochene wie Florian Klenk wehren sich.

Geht es Ihnen auch schon so auf die Nerven wie mir?“, fragt Verleger Hans-Jörgen Manstein in seinem Branchenblatt „Horizont“. „Halten Sie es auch nicht mehr aus, im Stunden-, Tages- und Wochentakt von sogenannten ,Enthüllungen‘ belästigt zu werden?“ Im Verlauf seiner Kritik an der „Amtsmissbrauchsjournaille“ kommt er so richtig in Fahrt – auf dem Höhepunkt erklärt Manstein: „Herren wie Klenk („Falter“), Nikbakhsh („Profil“), Kuch („News“) und Sankholkar („Format“) sind eine Gefahr für die Zukunft des Journalismus in diesem Land.“ Die „heutigen Enthüllungsjournalisten“ würden – anders als AKH-Aufdecker Alfred Worm oder die prominenten Watergate-Enthüller Bob Woodward und Carl Bernstein – nicht mehr recherchieren, sondern nur darauf warten, wer in den Amtsstuben, bei Polizei oder Staatsanwaltschaft „gerade Journaldienst hat“, und die Akten den Journalisten bergeweise auf die Fußmatte legen. Die Aufdecker würden zudem eine strafbare Handlung begehen, weil sie den Behörden, die hier offensichtlich Akten nach außen tragen, beim Amtsmissbrauch behilflich seien.

Die Botschaft ist angekommen, und sie sorgt bei Beobachtern außer- und innerhalb der Branche für Diskussion. Die einen fragen nach dem Grund für den Zorn des honorigen Verlegers, der die Branche seit Jahren zu den „Medientagen“ lädt und u.a. über Qualitäts- und Investigativjournalismus debattieren lässt. Sind es einflussreiche Freunde oder Politiker, die ihm das diktiert haben? Andere stimmen Manstein zu – der Tenor: Wer bereits aktenkundige Tatsachen veröffentlicht, decke nichts mehr auf. Worm habe es genau umgekehrt gemacht, Missstände aufgedeckt, die erst nach der Veröffentlichung gerichtsanhängig wurden.

Direkt von Manstein Attackierte wie „Falter“-Chefredakteur und Investigativprofi Florian Klenk kontern. Er nennt Mansteins Argumentation „ahnungslos, dumm und verleumderisch“. Es sei eben nicht so, dass Aufdeckerjournalisten einfach „Akten abschreiben, die man ihnen zuwirft, sie sammeln über Jahre Informationen, zumeist aus legalen Quellen“. Das koste Zeit und vor allem Geld, „das sich Medien kaum noch leisten“.

Pilz zu Ainedter: „Was soll das Gejammer?“

Ins gleiche Horn wie Manstein blies am Dienstagabend Grasser-Anwalt Manfred Ainedter. „Wo ist die Leistung eines Journalisten, der auf seiner Fußmatte jeden Tag neue Akten vorfindet?“, fragte er bei einer Diskussion im Parlament über die Unschuldsvermutung in Abwandlung des Zitats von Grasser-Trauzeuge Walter Meischberger. Ainedter nahm seinen Mandanten naheliegend in Schutz, wetterte gegen eine mediale Paralleljustiz, die tagtäglich Vorverurteilungen veröffentliche, und wünschte sich gar die „Lasser'schen Artikel“ im früheren Pressegesetz zurück, jene Bestimmungen, die die Berichterstattung über schwebende Verfahren unter Strafe stellten.

„Was soll dieses Gejammer?“, wollte Peter Pilz, Grünen-Fraktionsführer im Korruptionsausschuss, daraufhin von Ainedter wissen. Ob er nicht über genug Selbstbewusstsein verfüge, alle Vorwürfen souverän und mit Beweisen abzuwehren. Medienanwältin Maria Windhager stellte Grundsätzliches klar: „Es ist nicht verboten, geheime Akten zu veröffentlichen. Eine demokratische Gesellschaft braucht Kontrolle.“ Durchaus problematisch finde sie aber, wie die Akten, etwa in Boulevardzeitungen, aufbereitet werden. Auch Florian Klenk war Diskussionsgast. Er erinnerte an die Rolle der Medien als „Public Watchdog“, er und Kollegen würden keine Medienjustiz üben, sondern Fakten beschreiben. „Wenn der Ex-Finanzminister 9,2 Millionen auf seinem Konto hat, ist das eine Sache von öffentlichem Interesse.“ Die Privatsphäre von Politikern sei im „Falter“ aber jedenfalls tabu. Wenn nun Journalisten und Behörden zu Kriminellen gemacht würden, „haben wir ein Problem“, so Klenk. Diese Argumentation sei nur ein Spin, eine Medienstrategie, um von Grasser abzulenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)

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