Der Neubau in St. Marx liegt von den Kosten her gleichauf mit einem Standort am Küniglberg. Allerdings wäre der ORF nicht mehr Immobilien-Eigentümer, sondern Mieter.
Lange hat ORF-General Alexander Wrabetz die Stiftungsräte warten lassen. Erst nach 19 Uhr erhielten die Mitglieder der Arbeitsgruppe Standort am Freitag die geforderten Zahlen, die sich durch die Neuberechnung der verschiedenen Standort-Varianten ergeben hatten. Fazit: Entgegen ersten Kalkulationen ist nun die zunächst teuerste Variante die billigste. Dem Vernehmen nach (offizielle Auskunft will die ORF-Geschäftsführung nicht geben) wäre ein Neubau in St. Marx mit jährlich 32,2 Millionen Euro (auf 35 Jahre berechnet) knapp günstiger als ein gemeinsamer Standort aller ORF-Unternehmen am Küniglberg (32,3 Millionen). Ein Verbleib an den drei Standorten des ORF hingegen wandelt sich von der billigsten zur teuersten Variante (33,2 Millionen).
Eine von den Stiftungsräten von Wrabetz geforderte explizite Festlegung, welchen Standort er präferieren würde, ist in dem Schreiben, das er am frühen Freitagabend übermittelte, nicht enthalten.
ORF-Finanzdirektor Richard Grasl sah am Freitagabend denn auch „weiter alle drei Varianten im Spiel". St. Marx wird jedoch als sinnvolle und ökonomische Variante gelobt, was den Schluss zulässt, dass Wrabetz einem auch vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SP) bevorzugten Bau in St. Marx den Vorzug geben würde.
Entscheiden muss darüber der Stiftungsrat. Dort ist mit Widerstand zu rechnen. Bedenken herrschen vor allem, weil der ORF im Falle eines Neubaus in St. Marx nicht mehr Eigentümer der Immobilie wäre, sonder nur Mieter: Das Immobilienvermögen des ORF soll im dem Fall in eine gemeinsame Immobiliengesellschaft mit der Stadt Wien eingebracht werden, ein Immobilienfonds würde die Baukosten finanzieren. Das würde zu einer Abhängigkeit des ORF von der SPÖ Wien führen, fürchten Beobachter, die nicht wollen, dass der ORF sein „Familiensilber" verkauft.