Oliver Handlos: "Werbung ist Popkultur"

Oliver Handlos Werbung Popkultur
Oliver Handlos Werbung Popkultur(c) LUKE AIKINS/RED BULL PHOTO (LUKE AIKINS)
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In den USA wird Werbung gefeiert. In Österreich fühlt man sich davon eher gestört. Der Creative Director der BBDO New York über Werbekultur, den Multiplikator Internet und den Wert eines Sechs-Mio.-Dollar-Spots.

Wie wird ein studierter Biochemiker aus Karlsruhe Kreativdirektor von BBDO New York – der Nummer eins im Kreativranking der weltbesten Werbeagenturen?

Oliver Handlos: Eigentlich wollte ich Wissenschaftsjournalist werden, habe dann aber bei McCann Ericksson als Texter angefangen – dabei hatte ich keine Ahnung von Werbung.

Was ist denn der Unterschied zwischen amerikanischer Werbung und Kampagnen in Deutschland oder Österreich?

In den USA geht es nicht mehr um Information, sondern um Unterhaltung. Im deutschsprachigen Raum glaubt man, man müsse rational informieren – aber Werbung hat darauf keinen Einfluss mehr. Das Social Web hat die Art, wie sich Konsumenten informieren, verändert. Wenn VW schreibt, der neue Golf ist der beste, den es je gab, gebe ich „Golf GTI 2012“ ein und finde im Internet hunderte Postings mit Meinungen dazu. Keiner glaubt einer Produktinformation. Das haben die Amerikaner verstanden: Man muss den Kunden emotional ansprechen.

Bei uns gilt Werbung als notwendiges Übel.

In den USA nicht. Dort ist Werbung Bestandteil der Kultur. Schon Andy Warhol hat 1962 Campbell's Suppendosen gemalt. Werbung ist Popkultur. Bei uns ist sie Mittel zum Zweck. Wenn bei einem Konzert der Sponsor genannt werden muss, ist das peinlich – in den USA wird applaudiert. Die Leute dort mögen Erfolgsgeschichten. Und jede Marke ist ja eine Erfolgsgeschichte.

Haben Sie ein gutes Beispiel?

Red Bull. Die werden nicht nur als Dosenabfüller wahrgenommen, sondern als mediales Unternehmen. Sie kamen im Ranking des Magazins „Fast Company“ auf Platz zwei – hinter Twitter, vor der „New York Times“. Der Chef vom Red Bull Media House sagt: ,Wir machen kein Projekt, bei dem wir nicht eine Geschichte erzählen.‘ Das ist die Zukunft: Werbung wird nicht mehr wie Werbung aussehen. Und sie wird on demand sein. Der Trailer für den Red-Bull-Film „The Art of Flight“ wurde auf YouTube 9,5Millionen Mal angeklickt, die Snowboard-Doku rangierte auf iTunes in der Liste der Dokus auf Platz eins. Dafür hat man zehn Dollar bezahlt: um branded content zu schauen!

Aber viele Kampagnen funktionieren im Internet überhaupt nicht.

Dass man mit einem Film für wenige tausend Euro Millionen Leute erreichen kann, ist Quatsch. Diese Filmchen – meist billiger Trash, oft Sex und Gewalt – verbreiten sich im Social Web gar nicht. Die Facebook-Strategen haben das erforscht: Man teilt nur das mit seinen Freunden, was einen selber adelt. Man teilt keine Inhalte, weil anderen etwas Gutes tun will, sondern vor allem zur Selbstdarstellung. Diese Psychologie muss eine Marke bedienen: Die Leute müssen sich denken, es ist toll, diesen Inhalt auf meiner Seite zu haben – und das sind sicher keine nackten Titten. Die Filme, die im Internet erfolgreich sind, sind teuer. Das macht für die Unternehmen aber Sinn, weil sie dafür Media-Budget sparen.


Beim werblichen Mega-Event in den USA – dem Super Bowl – sieht man, wie das funktioniert. Was spielt sich da ab?

110 Millionen haben den Super Bowl im TV gesehen. Die Werbespots sind Bestandteil des Events und werden von den Firmen im Vorfeld gehypt. Ein 60-Sekunden-Spot kostet sechs Millionen Dollar. Aber das ist es wert: 130 Millionen Mal wurden die Spots auf YouTube angeschaut, weil sie erfrischend kreativ sind. Dafür haben die Firmen keinen Dollar extra in die Hand nehmen müssen.

Das Red-Bull-Mega-Event ist Felix Baumgartners Sprung aus dem All. Was, wenn er misslingt? Würde eine Tragödie bei „Stratos“ der Marke schaden?

Nein. Die Fans verstehen, dass das nichts mit der Marke zu tun hat. Man macht ja auch Mercedes keinen Vorwurf, wenn jemand einen Verkehrsunfall hat. Ein Problem wäre es, wenn Red Bull nur Felix Baumgartner sponsern würde – diesen Fehler machen viele Unternehmen: Sie suchen sich eine einzige Persönlichkeit aus. Das kann schiefgehen. Red Bull aber sponsert eine Lebensform, die heißt: Ich habe ein großartiges Outdoorleben – das auch riskant ist.

Sie unterrichten ja auch angehende Werber an der Uni für Angewandte Kunst in Wien. Sind die Kreativen in den USA besser?

Nein. Und die Uni hier ist auch sehr gut: Für so eine elitäre Ausbildung würden Studenten in den USA 40.000 Dollar pro Jahr hinblättern.


Warum fehlt der Werbung bei uns dann der Kultfaktor?

Marketingabteilungen und Agenturen machen es sich zu einfach. Sehr kreative Arbeiten werden meist nur für Kleinstkunden entwickelt. Bei Wettbewerben gewinnen dann Kampagnen, die kaum wer gesehen hat, deshalb beeinflussen sie unsere Wahrnehmung auch nicht. Also macht man im Tagesgeschäft immer nur Mainstream.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2012)

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