Der König auf Visite im Dschungelcamp

Wenn Helmut Berger, der einst Ludwig II. verkörperte, sich ins Dickicht des Spannerfernsehens herablässt, kriegen fast alle Gazetten Schaulust.

Er war noch gar nicht im Busch von Australien gelandet, da machten sich die sozialen unter den alten Medien bereits Sorgen um den früheren Weltstar, der geruhte, in die Halbwelt von RTL herabzusteigen. „Angst um Helmut Berger“, fürchtete sich „Österreich“ und fragte im Titel: „Überlebt er das Dschungelcamp?“ Erklärender Nachtrag: „Kalter Alkoholentzug bei feuchter Hitze“. Eine erfahrene Tiefenpsychologin namens Mausi, die sich auch in der Wildnis von Trash-TV bestens und aus Erfahrung auskennt, wusste in einer Blitzdiagnose a priori: „Berger steht das Camp nicht durch.“

Am Tag zuvor hatte Fellners Abstinenzlerblatt präventiv gemeldet: „Berger trinkt sich fit.“ Der Austro-Mime sei vor dem Abflug völlig blau gewesen. Falls Professor Mausi aber recht hat (obwohl nach der ersten Monster-Sendung am Freitag noch nicht viel auf einen Absturz hinwies), wird es wahrscheinlich nicht am fehlenden Alkohol liegen, sondern an der Penetranz einiger der zehn Mitbewohner, die von zwei unerträglich deutschen Moderatoren begleitet werden. Die sind das Gegenteil von moderat, viel eher dürfen sie mitverantwortlich dafür sein, dass ihr Privatsender das Wesen der Quotenschlampe perfektioniert hat. In den Dschungel werden Verlierer aus bösem Schaugeschäft gelockt, die ihren Fall noch nicht akzeptieren, obwohl jeder gemeine Satz der Spielleiter darauf hinweist, dass sie die Gäste für nützliche Idioten halten.

Was aber macht der einst göttliche Darsteller von Dekadenz, der Geliebte des feinsinnigen Kinogiganten Visconti bei diesem Gesinde? Heißt es „Endstation Dschungel“ für den „Weltstar am Ende“, wie der „Kurier“ im Vorfeld vermutete? Riskiert er sein Leben, wie „TV-Media“ fragt, oder ist er nur „Auf Entzug im Dschungel“? Die linksliberale Wochenschrift „Die Zeit“ weiß es in einer traurigen Eloge auf diesen einzig wahren Erben von Oscar Wilde besser, sie schreibt vom „Triumph der souveränen Pose über die Wirklichkeit“. Bergers Geschichte sei keine von Aufstieg und Fall: „Es ist eine Geschichte der Unbeirrbarkeit.“

Damit behält das Hamburger Blatt bisher recht. In der Qual stundenlanger Camp-Ouvertüre war der Mime auch für den schaulustigen Mediator eine Insel der Ruhe. Im Vergleich zum Rest der Truppe sind Berger und der Transsexuelle Olivia Jones reife Menschen, die sogar Anmut und Würde besitzen. Worum es bei der Show am anderen Ende der Welt geht, wurde in einem luziden Moment aufgedeckt. Die Diskussion der Mitbewohner war eben wieder auf einen totalen Tiefpunkt abgesackt, da hört man Ludwig II. und Oscar Wilde in Personalunion mahnen: „Hört auf, ihr werdet ein bisschen gewöhnlich jetzt.“ Für diesen Satz müsste es 1000 Extrapunkte geben, und damit sei dem alten Mann auch verziehen, dass er nächtens leicht verwirrt in die Büsche nahe seiner Schlafstelle pinkelte. Aber es war noch nicht aus, es dauerte bis zur zweiten Folge bis zum befreienden Nachsatz: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“

norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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