Der Mediator

Der katholische Weltbild-Verlag stellte am Freitag einen Insolvenzantrag. Tausende Mitarbeiter dieses seit Längerem kriselnden deutschen Buchhändlers sind betroffen.

Ausgerechnet das Christkind ist schuld an der drastischen Maßnahme, die das katholische Unternehmen zu Jahresbeginn setzte. Man habe auch deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil das Geschäft zu den Feiertagen enttäuschend gewesen sei, hieß es von Weltbild. Das hört man seit Jahren aus der Verlagsbranche: Im Dezember entscheidet sich mit dem Weihnachtsgeschäft das Schicksal kriselnder Firmen. Angeblich mehr als ein Drittel der Jahreseinnahmen werden an diesen langen Einkaufstagen gemacht. Wer es nicht schafft, dass seine Bücher, Hörbücher, Videos und Discs unterm Christbaum liegen, der hat das Rennen verloren.

Weltbild hatte zuletzt in 400 Filialen, per online und auch per üblichem Katalog 1,6 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die weihnachtliche Tristesse war nur noch die letzte Konsequenz in einer ohnehin verschärften Krise. Man habe auch den Finanzierungsbedarf unterschätzt, den eine Sanierung mit sich bringe, verlautete aus der Zentrale in Augsburg, deren Gesellschafter vor allem ein Dutzend deutsche Bistümer sind. Die hat offenbar abgeschreckt, dass bis zu 165 Millionen Euro nötig wären, um den Verlag wieder flottzumachen.

Bisher war man von 60 Millionen Euro ausgegangen. Bei den Banken (zwei davon sind ebenfalls kirchliche Institute) sind zudem 190 Millionen Euro offen. Das ist selbst für die als reich geltende deutsche Kirche ein bedenklich hoher Betrag. Die Gewerkschaften bezeichnen das Verhalten der Gesellschafter laut „Süddeutscher Zeitung“ dennoch als skandalös. Es geht vorerst um die Zentrale in Augsburg, um 2200 von 6800 Arbeitsplätzen. Die von München aus mit Hugendubel betriebenen Firmen in Österreich sollen bisher nicht betroffen sein.


Online entscheidend. Was hat man beim zweitgrößten Online-Buchhändler Deutschlands falsch gemacht? Man wollte sich zuletzt ganz aufs Internet verlegen, blieb dabei aber halbherzig, weil die Kosten des Umbaus zu hoch waren. Schon vor mehr als 20 Jahren hatte sich Weltbild mit seinen Kernbereichen Zeitschriften und Versandhandel neu erfunden, aus einem kleinen katholischen Verlag sollte ein moderner Medienriese werden. Man expandierte gewaltig ins neue Jahrtausend, auch mit Produkten, die nicht unbedingt der Kirche zuzuordnen sind. Dann folgten „Eitelkeiten, Rivalitäten und Animositäten“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Samstag titelte. Und zuletzt hohe Verluste. Die Gründung einer Stiftung misslang. Die neue Struktur hätte drastische personelle und inhaltliche Veränderungen bedeutet. Nicht einmal die Appelle von Papst Benedikt XVI., das strategisch wichtige Unternehmen wieder flottzumachen, fruchteten. Ohne Netz sieht die Zukunft der Branche selbst bei höchstem geistlichen Schutz düster aus.

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2014)

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