Was sollen Verlage bei einem Shitstorm tun?

Was sollen Verlage bei einem Shitstorm tun? In Deckung gehen? Dagegenhalten? Vernünftig wäre es, auf Homepages anonyme Postings von Psychopathen gar nicht erst zuzulassen.

Für gewöhnlich zeichnen Journalisten ihre Artikel mit Namen. Sie setzen sich damit der öffentlichen Meinung aus. Wie groß der Unmut der Leser telefonisch und brieflich werden kann, weiß jeder Betroffene, den solche Reaktionen erreichen. Das ist der Deal: Wer per Zeitung oder Rundfunk oder über die neuen Medien austeilt, muss auch Kritik wegstecken können. Nur bei Informanten pocht unsere Branche auf Diskretion. Sie gehören geschützt, selbst wenn eine unheimliche Macht wie die NSA oder gar ein hartnäckiger Landeshauptmann mit Gewalt darauf drängt zu enthüllen, wer denn der Whistleblower sei, der einen Skandal publik gemacht hat.

Eine ganz andere Kultur überschwemmt vor allem über das Internet mit zunehmender Intensität den Diskurs. Anonyme Poster neigen dazu, sich mit unglaublicher verbaler Brutalität an sogenannten Shitstorms zu beteiligen, die anscheinend ganz nach Belieben verschiedenste Opfer fertigmachen. Das bereitet Chefredakteuren und Geschäftsführern zunehmend Sorge, auch hier bei uns.

Diese Woche hatte der Herausgeber des Nachrichtenmagazins Profil genug: „Shitstorm stinkt“ betitelte Christian Rainer seinen Leitartikel. Für ihn ist die „Erträglichkeitsgrenze der anonymen Verleumdung“ erreicht. Er nennt konkret absurde Hexenjagden auf die Ö3-Moderatorin Elke Lichtenegger, den Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder und einen Wirt. Rainer fordert „Klarnamen für alle“ im Netz. Dem wollen sich inzwischen weitere Medienmacher nicht verschließen. „Die Meinungsmutigen“ etwa sprechen sich – auch im Netz – gegen dortige Hasstiraden aus. Diese Kampagne unterstützen inzwischen einige Herausgeber. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sogar die Bundesregierung auf diesen Zug aufspringt.


Im Sturm der Fäkalien sollte man jedoch vorsichtig sein, rät der Mediator. Ein eigenes Anti-Shitstorm-Gesetz? Die Verfolgung anonym begangener Straftaten wie Rufmord oder Beleidigung ist durch bestehendes Recht jederzeit möglich. Eine Anlassgesetzgebung aber könnte leicht zum Kreuzzug für politisch korrektes Verhalten führen. Wo bleibt dann die Meinungsfreiheit? Zur Lösung müssen vor allem die Verlage und all jene Unternehmen beitragen, die das Internet als Forum brauchen. Niemand hindert sie daran, auf ihren Homepages nur jene zu Wort kommen zu lassen, die ihre Beiträge mit dem echten Namen zeichnen. Zwar garantiert das noch nicht, dass zum Beispiel Lobbyisten über Umwege eine Schmutzkampagne anzetteln, aber ein bisschen schwerer wird sie ihnen fallen. Vielleicht verlegen sich die Psychopathen unter den Postern dann sogar auf das Verfassen anonymer Briefe per Post. Sie kann man genauso gut ungeöffnet wegwerfen, wie man ein anonymes Mail ungelesen löschen kann.

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2014)

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