Fußball-WM

Bei der Fußball-WM gibt es auch einen Kampf der Zeitungskulturen. Wie stecken britische Blätter die Niederlagen weg? Und was macht der deutsche Boulevard in Hochstimmung?

In der entscheidenden Phase vor dem Achtelfinale der tollen WM in Brasilien hat auch den „Mediator“ das Fußballfieber gepackt. Was emotionell im TV begleitet wird, kann kühl nachgelesen werden. Wie reagieren große Blätter von Weltmeister-Ländern auf erste Ergebnisse?

Kurz fasste sich die auflagenstärkste spanische Sportzeitung, als feststand, dass der regierende Weltmeister ausgeschieden war: „Estrellados“ titelte „Marca“ – „zerschmettert“. Einsilbig war auch die Konkurrenz, nachdem Chile den Spaniern im Maracaña die entscheidende Niederlage beigefügt hatte: „Maracanazo“ lautete die Schlagzeile von „As“.Die Wortschöpfung, in der macanazo (Knüppelschlag) mit dem berühmten Stadion in Rio kombiniert wird, kam bereits 1950 auf, als Brasilien bei der WM zuhause das Finale gegen Uruguay verloren hatte. Das große Qualitätsblatt „El País“ verglich die Niederlage mit einem Schiffsuntergang: „España fue el Titanic“ – „Spanien war die Titanic“.

In London verschlug es dem lauten Massenblatt „The Sun“ nach der Niederlage der Engländer gegen Uruguay in São Paulo beinahe die Sprache: „We're Through“, hieß es lapidar. „Coming home?“, fragt sich der seriöse „Independent“ und zeigt unter dieser drohenden Heimkehr ein Foto, auf dem Uruguays Torjäger Luis Suárez nach dem Spiel dem englischen Kapitän Steven Gerrard (seinem Klubkollegen beim FC Liverpool) den Kopf tätschelt. Der linksliberale „Guardian“ hatte ebenfalls den jubelnden Goalgetter auf Seite eins und titelte darüber melancholisch: „All bite on the night. Suárez sends England towards World Cup exit“.

Am Freitagabend war Italien mit der Trauerarbeit dran: „Irriconoscibile Italia“ hieß die erste Online-Reaktion von „La Repubblica“ auf das 0:1 gegen Costa Rica. Das italienische Team sei nicht wiederzuerkennen gewesen. Hart im Urteil war auf seiner Homepage auch das Konkurrenzblatt „Corriere della Sera“: „Vergeudet und versenkt“ sei die Chance auf einen raschen Aufstieg bereits vor dem dritten Spiel, während der Überraschungssieger aus Mittelamerika bereits feiere – „L' Italia spreca e affonda: festa Costa Rica“. Nun komme es auf Uruguay an. Das hieß es zuvor schon in England.


Geh-heim-Favorit. In Deutschland herrschte nach dem ersten hohen Sieg, also noch vor dem Spiel gegen Ghana am Samstagabend, medial beinahe Ausgelassenheit. Die Boulevardzeitung „Bild“ ließ die Leser Schlagzeilen basteln: „Portugal weg geMüllert!“, das auf die drei Tore von Bayern-Star Thomas Müller anspielte, setzte sich knapp gegen „Portugal ab heute Geh-heim-Favorit“ durch. Die alternative „Taz“ war auf ihrem Ticker sehr präzis: „Der klassische Müller“ weckt Erinnerungen an den WM-Sieg vor 40 Jahren mit dem legendären Stürmer-Star Gerd Müller. Schaun wir mal.

norbert.mayer@diepresse.com
diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2014)

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