Kampf gegen Monster

Ein Thriller-Autor wehrt sich per offenem Brief gegen Amazon. Er fühlt sich wie in Geiselhaft genommen. Hunderte Kollegen unterstützen ihn. Das große Versandhaus reagiert gereizt.

An diesem Sonntag könnte der höchst erfolgreiche Versandhändler Amazon, der nicht nur auf dem Buchmarkt in all seinen gedruckten und elektronischen Erscheinungsformen eine Führungsrolle beansprucht, auf ungewöhnliche Weise Post erhalten: Ein von mehr als 900 Autoren gezeichneter Brief soll als ganzseitige Anzeige in „The New York Times“ erscheinen. Initiiert wurde die Aktion vom Bestsellerautor Douglas Preston. Der vermutet, dass Amazon seinen Verlag Hachette, den fünftgrößten in den USA, unter Druck setzt, um ein besseres Geschäft mit E-Books zu machen. Seit Monaten tobt dieser Kampf der Mediengiganten.

Deshalb schrieb Preston seinen Lesern: Er bat sie, Amazon-Gründer Jeffrey Preston Bezos zu kontaktieren. Sie sollten von ihm verlangen, dass seine Firma damit aufhören solle, Schriftsteller als Geiseln für ihre Deals zu nehmen. Amazon verwende Bücher inzwischen bloß als Mittel, um andere Dinge zu verkaufen. Preston fühlt sich benachteiligt, ja, missachtet. Verfasst hat er diese Bitte laut „NYT“ in seiner Dichterhütte mitten im Wald von Maine, die an ein tolles Vorbild erinnert: Henry David Thoreau lebte ebenfalls gelegentlich im Wald, am Walden Pond, wo er zivilen Ungehorsam übte.

Der Mail-Verkehr von den Autoren über die Leser und die Zeitungsanzeige zu Bezos klingt nur wie Stille Post. Die Thriller-Superstars John Grisham und Stephen King unterschrieben den Brief. Ein medialer Sturm zieht auf. Da wirkt es fast schon hilflos, wenn Amazon den 58 Jahre alten Initiator der Kampagne als Opportunisten beschimpft.


Kampf gegen Monster. Douglas Prestons Aktion passt zu seinen Büchern. Die wimmeln von Monstern und Dinosauriern. Damit kennt sich der Mann aus. Er hatte im American Museum of Natural History in New York gearbeitet, ehe er vor fast 30 Jahren Autor wurde. Mit Lincoln Child, den er im Museum kennenlernte, schrieb er „Relic“, das 1997 in Hollywood erfolgreich verfilmt wurde. Schauplatz: ein Museum in Chicago. Mit diesem Buch begann das Duo eine Reihe von Thrillern, die den FBI-Agenten Aloysius Pendergast zum Helden haben. Ein Dutzend Romane ist inzwischen erschienen.

Schon die Handlung von „Relic“ passt irgendwie zum aktuellen Konflikt. Es geht ums Aussaugen von Menschen: Ein Monster tötet tief unten im Museum seine Opfer, bricht ihre Schädel auf und frisst den Hypothalamus. Der steuert mit seinen Hormonen die vegetativen Funktionen des Körpers: Temperatur, Blutdruck, Nahrungsaufnahme, Schlaf, Sex – ohne diesen zentralen Koordinator im Zwischenhirn geht fast gar nichts. Der Mediator meint: Wenn man das Verlagswesen als Organismus sieht, haben Autoren eine recht wesentliche Aufgabe. Ohne sie wäre es bald totenstill im Wald der Fiktionen.

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.