Schon wieder ein Kanzlerfest versäumt?

Schon wieder ein Kanzlerfest versäumt? Es bleibt der Trost, dass man dieses Ereignis beinahe live in sozialen Medien verfolgen kann.

Der August 2008 war bemerkenswert. Die Erbschaftssteuer wurde gestrichen, und Werner Faymann löste den Bundesvorsitzenden der SPÖ billig ab. Seither beweist er bei der Ausrichtung von Kanzlerfesten Handlungsfähigkeit, die sein Vorgänger, Alfred Gusenbauer, unmittelbar zuvor vermissen ließ: Er hatte 2008 die Sommerfete wirklich wichtiger Wiener einfach abgesagt. Musste er deshalb gehen?
Faymann riskiert das nicht. Bis ins siebente Jahr ist unter ihm kein Fest ausgefallen. Wie aber erfährt man, was die SPÖ derzeit bewegt, wenn man im Gartenhotel nicht geladen war? Facebook sei Dank: Noch vor Sonnenuntergang tradierten soziale Kanäle den per Agenturen festgestellten vollen Erfolg: „Rauschendes Kanzlerfest trotz Flüchtlingskrise“. Zu Dutzenden wurden private und halböffentliche Fotos geliefert, die glückliche Menschen im Hotelgarten vor weißen Zelten zeigen. Auch vom Regierungschef ist ein programmatischer Satz überliefert: „Wenn man sich darum kümmert, dass die Situation für Flüchtlinge in schwierigen Zeiten besser wird, kann man auch feiern.“ Also kann der Kanzler auch stolz auf Wiens Bürgermeister sein, „der viele Flüchtlinge aufnimmt“. Die SPÖ-Spitze nahm sich viel vor: „Bei eher abgekühlten Temperaturen sollte über die Problematik kommuniziert werden.“

Kommunizierende Problematiker in fast frischen Nächten, was will man mehr? Na ja, einen Adabei vielleicht? Auf Twitter meldete nüchtern eine Zeitzeugin: „Jeanneé stolperte den ganzen Abend mehr oder weniger allein auf dem Kanzlerfest herum. Minimalabstand der anderen Gäste zu ihm meist 2,5 Meter.“ Als wäre man dabei gewesen.

norbert.mayer@diepresse.com

diepresse.com/mediator

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

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