Der grüne Fingerzeig und die »Krone«

Die Kampagnen für die nächste Bundespräsidentschaft treten drei Wochen vor dem ersten Wahlgang in eine neue Phase: Endlich darf über Luxusgagen, Gratiskandidaten und obszöne Kampfparolen geschrieben werden!

April, April! Am 24. 4. ist es so weit: Fünf Kandidaten und eine Kandidatin treten an, um den Spitzenjob in der Hofburg zu bekommen. Es ist also höchste Zeit für die heiße Phase der Kampagne auf dem Boulevard. Das Gratisblatt Österreich wurde am 1. 4. grundsätzlich. „Die Luxusgagen der Kandidaten“ lautete der Aufmacher zur Präsidentenwahl. Fünf der sechs Kandidaten wurden abgebildet und mit Preispickerln versehen. Richard Lugner durfte fehlen, wohl deshalb, weil er keine „Pensionen und Gehälter aus Steuergeld“ bezieht. Ist er auch der billigste? Nein, er hat einen harten Konkurrenten. Bei Rudolf Hundstorfer (SPÖ) steht ein Preisschild, das wie eine Wahlempfehlung wirkt: „Seit 27. Jänner null Euro“. Darüber kann man fast ein anderes Pickerl übersehen: „Hundstorfer 17.373 bis 26. Jänner“. Seither verzichtet der Ex-Minister auf seine Gage, er lässt sich nur bei seinem Wahlverein anstellen. Wegen der Krankenversicherung.


10.000 Euro. So wird also Norbert Hofer für das Fellner-Blatt zum Spitzenverdiener. Mit 14.767 Euro hängt er sogar den Pensionisten Andreas Khol ab, während die Bezüge von Van der Bellen (ehemals Grün) und jene der unabhängigen Irmgard Griss vergleichsweise bescheiden aussehen. Der ehemaligen Höchstrichterin wird allerdings unterstellt, dass sie für einen Vortrag ein Honorar verlangt hätte. Ihr Büro bestreitet das. Österreich titelt trotzdem „Griss verlangt 10.000 Euro für Wahlauftritt“. Was aber haben die angeführten Summen mit Luxus oder gar der Qualifikation für das höchste Amt zu tun? Vielleicht hätte die Schlagzeile lauten sollen: „Fast gratis für Österreich: Unser billigster Rudi als Ersatz-Heinz“. Nein, dieser Auftakt ist dem Gratisblatt zu abstrakt geraten, selbst wenn es die Neidgenossenschaft bedient, die Geiz selbst in der Hofburg geil findet.

Wie man richtig hart einsteigt, demonstrierte am Freitag die Kronen Zeitung. Ihr Sittenwächter Claus Pándi ließ sich in die Niederungen von Internetdiensten zur obskuren Meldung eines EU-Abgeordneten herab, um den Nicht-Mehr-Grünen Kandidaten neu einzufärben: „Obszöne Kampfparole auf Twitter für Alexander Van der Bellen: Grüne machen Präsidentenwahl zur Abstimmung über die ,Krone‘“.

Wenn das nur keine Majestätsbeleidigung ist! Was hat die Ökopartei verbrochen? Und das wahrscheinlich ausgerechnet in Brüssel! Ein billiger Screenshot beweist, dass ein Herr Michel Reimon kurz vor Ostern seine „strategische Wahlkampf-Metaerzählung“ preisgab: „Nur wer van [sic!] der Bellen wählt [sic!] kann der ,Kronen-Zeitung‘ den Mittelfinger zeigen.“


Vulgäres Grün. Der Mediator ist über die Folgerung des Grünen irritiert, der sich neuerdings in sozialen Medien an diesem Boulevard lustvoll reibt, so wie über jene von Pándi. Ein Fellner würde jetzt wohl preisbewusst fragen: „Was kostet so ein Mittelfinger? Gibt es den gratis oder nur als Luxusversion?“ Für die Krone aber ist solch ein rüdes Zeichen bereits das strategische Ziel, mit dem Reimon von „Grünen-Chefin Eva Glawischnig in das EU-Parlament entsandt“ und Van der Bellen in den Vorhof der Macht geschickt wurde. Pándi ist entsetzt: „Mit der vulgären Ausdrucksweise wird der Präsidentschaftswahlkampf von den Grünen plötzlich ungewöhnlich aggressiv geführt.“

Wie abstoßend! In der Leserbriefecke „Das freie Wort“ würde solch Krone verachtende Hetze niemals durchgehen. Und was sagt Van der Bellen? Er ist dem hoffentlich nicht grün.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2016)

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