Neustart oder Fehlstart für Faymann?

Der Boulevard hält den sozialdemokratischen Bundeskanzler für unersetzlich. Im ORF experimentiert man mit einer neuen Form von Doppelinterview. Wiens Bürgermeister sekundiert. Werner, Michael und Freundschaft - das ist Brutalität.

Zahlen sich in Österreich Inserate der öffentlichen Hand aus? Aus der Sicht von Zeitungen ist das zu bejahen, vor allem, wenn sie dem Boulevard angehören. Das zeigen auch die aktuellen Daten der Medienbehörde KommAustria:2015 haben Ministerien und andere staatliche Stellen 188 Mio. Euro für solche Werbung ausgegeben. Allein die Gemeinde Wien machte 46 Mio. Euro locker. Die Massenblätter Kronen Zeitung, Heute und Österreich waren die Hauptgewinner. Sie verbuchten gut 51 Mio. Euro aus derartigen Inseraten und Medienkooperationen – mehr als fünfmal so viel wie die gesamte Presseförderung.

Das hat aber, wie brave Bürger wissen, nichts mit politischer Einflussnahme zu tun, so wenig wie der Stiftungsrat des ORF mit den Niederungen der Parteienlandschaft. Deshalb ein Themenwechsel: Zahlt sich Freundschaft heute noch aus, nicht nur in der SPÖ bei den Sonntagsreden am Tag der Arbeit, sondern wenn es um das feine Geflecht zwischen Parteien und Medien geht? Auch solch persönliche Angelegenheiten, die zuweilen Jahrzehnte zurückreichen, sind schwer zu bewerten, deshalb ein weiterer Themenwechsel: Wie geht es Werner Faymann?

Prächtig! Dazu muss man doch nur Heute lesen. „Faymann kanzlert seine SPÖ-Kritiker ab“, hieß es in der Freitagausgabe des Gratisblattes. Den Feel-good-Faktor eines aktiven Regierungschefs vermittelte am selben Tag auch die Kronen Zeitung, zumindest in der Abendausgabe: „Kanzler rechnet mit Kritikern ab.“ Dieser Vollzug musste in der Morgenausgabe der Krone allerdings dem energischen Vorgehen der Wiener Polizei weichen: „Aktion scharf am Wiener Praterstern“. Vielleicht war die Ähnlichkeit der Kanzler-Rettung mit der im Schwesterblatt aus dem Hause Dichand doch zu auffällig. Unabhängig davon wusste Österreich („Faymann rechnet mit seinen Kritikern ab.“) längst, dass Werner unersetzlich ist: „Nur 11 Prozent der Österreicher wollen Faymann-Rücktritt.“ Das muss doch stimmen, denn Wolfgang Fellner behauptet im Kommentar daneben, dass seine Zeitung bei Umfragen ein sicheres Gespür für Trends habe: „. . . und wir haben recht behalten“.

Schon am Tag zuvor wusste er: „Nur Kanzler kann die SPÖ retten“. Die Wahrheit sei: „Die SP hat zu ihrem Kanzler keine Alternative.“ Faymann müsse jetzt den Neustart durchziehen: „Er muss sich dafür aber von dieser Todes-Koalition lossagen.“ Nein, damit sind nicht die Inserate der öffentlichen Hand gemeint, zu der vielleicht manche Gratisblätter keine Alternative haben, das ist eine ganz andere Geschichte. Österreich geht es ums große Ganze. Um Faymann. Diesem hatte Fellner bereits am Mittwoch ein neues Programm, neues Personal und neue Partner empfohlen. „Dafür braucht er jetzt Mut zu Neuwahlen – hat er den?“

Noch nicht ganz, aber einen bizarren Neustart vollzog der SPÖ-Chef am Freitag in der „Zeit im Bild“. Er lud den ORF zum Doppelinterview ins Bundeskanzleramt. Sein Generalthema: Versöhnung. Die Ausführung machte aber wenig Sinn. Bestärkt vom Wiener Bürgermeister versicherte Faymann im atmosphärisch gemischten Doppel, dass er bleiben werde. Der dominante Michael Häupl sekundierte: Auch der nächste Kanzler werde wieder ein Sozialdemokrat sein und Werner Faymann heißen. Die Show der neuen Einigkeit (warum traf man sich für solche SPÖ-Interna staatstragend am Ballhausplatz und nicht in der Löwelstraße?) wurde allerdings durch den Bildschnitt konterkariert. Entweder sah man Faymann oder Häupl, nur für Sekunden waren sie gemeinsam im Bild. Beim Aufmarsch am 1. Mai sollten sie etwas näher zusammenrücken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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