"Diese Patrouille der Chancenlosen"

Im Fokus, zumindest in Wien: der neue Bundeskanzler Christian Kern und sein Vizekanzler Reinhold Mitter- lehner (r.) bei Bundespräsident Heinz Fischer (l.).
Im Fokus, zumindest in Wien: der neue Bundeskanzler Christian Kern und sein Vizekanzler Reinhold Mitter- lehner (r.) bei Bundespräsident Heinz Fischer (l.).Die Presse/Clemens Fabry
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Österreichs Politik wird nur selten im Ausland erwähnt. Ohne Rechtsruck sind wir fad. Bundeskanzler Kern ist im Vergleich eine Fußnote.

„Wir sind wieder wer in der Welt“, können sich patriotische Österreicher sagen – zumindest, was die Berichterstattung in internationalen Medien betrifft. Unsere Bundespolitik interessiert von den USA bis Russland, in ganz Europa, besonders in Deutschland. Allerdings gibt es in den Aufmachungen einen starken Rechtsdrall.

Die BBC widmete der FPÖ am Samstag ein ausführliches Feature, in dem sich Anspielungen auf den Faschismus häuften. Moskaus Sprachrohr RT Deutsch sieht längst schon „Rechtspopulisten auch in Österreich auf dem Vormarsch“. „Austria's election is a warning to the west“, hieß es diese Woche in „The New York Times“ alarmistisch von deren Op-Ed-Kolumnistin Sylvie Kauffmann, einer ehemaligen Chefredakteurin des Pariser Weltblattes „Le Monde“. Es könne leicht sein, dass die westliche Welt am Montag mit der Neuigkeit aufwache, dass „erstmals seit der Besiegung des Nazismus ein europäisches Land demokratisch ein Staatsoberhaupt gewählt hat, das ganz rechts ist“.

Und was ist mit der eben erfolgten Wende zum neuen Bundeskanzler? Sie findet wesentlich weniger Beachtung. In der Vorwoche hat zum Beispiel das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ auf acht Seiten genüsslich ein Sittenbild des kleinen Nachbarn gezeichnet: „Fesch, freundlich, national“ beschäftigt sich intensiv mit den erfolgreichen Rechtspopulisten des Alpenlandes. Und an diesem Samstag, nach Amtsantritt des neuen Bundeskanzlers, Christian Kern, von der SPÖ? Keine Zeile in der gedruckten Ausgabe des „Spiegel“. „Only bad news are good news.“

Ähnlich ist diese Woche die Gewichtung in der Österreich-Ausgabe des linksliberalen Wochenblattes „Die Zeit“. Kern muss sich mit einem analytischen Zweispalter (zumindest aber auf Seite 1) zufriedengeben. Im Blattinneren hingegen dominiert der Kampf um die Hofburg – und in ihm der freiheitliche Shootingstar Norbert Hofer, der im ersten Wahlgang Erster wurde. Auf der Titelseite ist er wie ein blauer Führer im Stil einer altmodischen Diktatur gezeichnet. Titel: „Kommt die Dritte Republik?“ Bei solchem Drohpotenzial wird Kern zur Randerscheinung, er ist gar nicht erst abgebildet.

Im Blattinneren gibt es ein kleines Foto Alexander Van der Bellens, des längst nicht mehr nur grünen Kandidaten, neben dem von Hofer, aber auf zwei weiteren Seiten folgen nur Bilder von Hofer. 3:1:0. In der Analyse Joachim Riedls zur neuen Bundesregierung wird die Aufgabe des Kanzlers als Himmelfahrtskommando bezeichnet: „Christian Kern ist sichtlich geschmeichelt, dass man ihn dazu auserkoren hat, diese Patrouille der Chancenlosen ins Ungewisse zu führen.“ Düsteres Fazit: Kern stürze sich „wie ein Rettungsschwimmer in diese See von Plagen. Schwer vorstellbar, dass ihm die Volkspartei den Ruhm des Lebensretters freiwillig überlässt. Gemeinsam untergehen wäre auch eine Option.“

Das liberale britische Wochenmagazin „The Economist“ näherte sich der Causa diesen Samstag in der Kolumne „Charlemagne“ mit „Vexed in Vienna“. Das kann verärgert, gequält, umstritten oder viel diskutiert bedeuten. Die Unterzeile gibt Österreich erst recht zweifelhaftes Lob: Eines der stets fadesten Länder Europas werde plötzlich interessant. Welche Rolle spielt Kern in dem Text? Eine undankbare: „Die Regierung hat nun ihre letzte Chance zu beweisen, dass ihr die Ideen nicht ausgegangen sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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