Peinliche Geschichten aus dem Orient

ARCHIVBILD ZU 5 JAHRE SCHWARZ-BLAUE REGIERUNG: HAIDER/SCHUESSEL IM PORSCHE
ARCHIVBILD ZU 5 JAHRE SCHWARZ-BLAUE REGIERUNG: HAIDER/SCHUESSEL IM PORSCHE(c) APA (GERT EGGENBERGER)
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Die FPÖ geht wegen Norbert Hofers Tempelberg-Erlebnis in den Clinch mit dem Österreichischen Rundfunk. Dabei können beide Seiten in diesem Fall nur noch verlieren. Wie wäre es mit einem Fairnessabkommen für diese Antagonisten?

Das achte Gebot im 2. Buch Mose lässt keinen Zweifel: „Du sollst nicht als falscher Zeuge gegen deinen Nächsten auftreten.“ In der Praxis aber ist kaum einer so schwer festzunageln wie der Lügner. Würde der Mediator zum Beispiel behaupten, dass er vor Jahren als Beifahrer in einem Cabrio den Wörthersee entlanggebraust sei, mit einem Landeshauptmann am Steuer, der sich an keine Tempolimits gehalten habe, wäre es aus Mangel an Zeugen in dieser fiktiven Geschichte ziemlich aufwendig, das Gegenteil zu beweisen.

Zudem haben Fabulierer bequeme Rückzugslinien: „Das ist so lange her, nein, es war nicht in Kärnten, sondern in Wien. Es war kein Sport-, sondern ein Kleinwagen. Am Steuer saß zudem nicht ein FPÖ-Chef, sondern ein ÖVP-Kanzler, der am Mediator im Schritttempo vorbeifuhr.“ Man kann dann von Erinnerungslücken, absichtsloser Übertreibung, ja sogar einem Irrtum sprechen, aber für die Lüge braucht es mehr – zum Beispiel einen offiziellen Brief, in dem gestanden wird, dass man die Geschichte frei erfunden habe, um einem populären Menschen zu schaden. Bis auf diese Ausnahme gilt eine Regel, die Menschen der Öffentlichkeit im Schlaf beherrschen: Lass nur das raus, was ohnehin bereits feststeht.

Deshalb verwundert es ein wenig, mit wie viel Engagement sich FPÖ und ORF derzeit im Clinch wegen einer an sich völlig belanglosen Story befinden, die nur noch Verlierer haben kann. Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat mehrfach mit einem Israel-Besuch geprahlt, der ein wenig ausgeschmückt geraten schien, mit einer dramatischen Terrorszene auf dem Tempelberg und einem mehr oder minder offiziellen Besuch der Knesset. TV-Redakteure im Österreichischen Rundfunk haben das nicht geglaubt. Es wurde im Wahlfinale nachgeforscht, aber offenbar nicht ausreichend genug, um zu beweisen, dass Hofers Geschichten aus dem Orient völlig aus der Luft gegriffen waren. Nun fordert die FPÖ Konsequenzen vom ORF, sie erklärt Journalisten reif für den Rücktritt, droht dem Generaldirektor vor dessen ersehnter Wiederwahl mit Liebesentzug im Stiftungsrat.

Das ist peinlich für alle, es zeigt ein seltsames Sittenbild für den Umgang zwischen der Politik und der mächtigsten Medien-Orgel des Landes. Auch dort wird nämlich kaum nachzuprüfen sein, ob absichtlich schlampig recherchiert wurde, um dem blauen Kandidaten zu schaden – das ist mindestens so schwer festzustellen wie Hofers Empfindung von Israel. Man wird doch wohl noch fragen dürfen, und viele journalistische Fragen führen ins Leere. Das liegt in der Natur der Sache: Spin-Doktoren der Politik versuchen den Medien die ihr genehme selektive Wahrnehmung einzureden. Auch diese neigen zu passenden Zuspitzungen. Schlimm wird es aber, wenn dabei von beiden Seiten zudem noch (Medien-)Politik gemacht wird. Solche Spielereien schaden sowohl den Parteien als auch dem Journalismus. Vielleicht braucht es für diese Antagonisten ebenfalls ein Fairnessabkommen.

Oder man besinnt sich einfach auf ein paar Grundsätze des angelsächsischen Printjournalismus: Prüfen und noch einmal prüfen, ehe man in Druck geht, niemals nur einer Quelle vertrauen. Das mag zwar in Zeiten von TV-Duellen, die verdächtig an Reality-Shows erinnern, altmodisch klingen, der vielschichtigen Wahrheit kommt man damit aber meist am nächsten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2016)

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