Zehn Jahre fortgesetzte „Fellnereien“

�sterreich: Newsroom des Fellner - Tageszeitungsprojekt
�sterreich: Newsroom des Fellner - Tageszeitungsprojekt(c) ROBERT JAEGER / APA / picturedes (ROBERT JAEGER)
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Wer hätte 2006 gedacht, dass sich die Tageszeitung „Österreich“ so lange halten würde? Nun ja, ihr Gründer vielleicht. Und die Banken, die ihm Kredit gaben. Und der zurückgetretene Kanzler. Und alle, die für viel Geld gratis Handys wollen.

Im September 2006 hat der Werbefachmann, Medienmacher und Boulevardexperte Wolfgang Fellner erstmals die von ihm gegründete Tageszeitung Österreich erscheinen lassen. Eine Art Vorbild war USA Today, damals das auflagenstärkste Blatt Amerikas, welches inzwischen auch gratis in verschlankter Version angeboten wird. Eilige und voreilige Reaktionen auf Österreich in der Branche waren höhnisch. Warum ein Konsortium seriöser österreichischer Banken für dieses riskante Projekt Kredite in hoher zweistelliger Euro-Millionenhöhe vergab, war tatsächlich deren Geheimnis. Damals, vor der Finanzkrise 2008, gingen Investoren besonders leichtfertig mit dem Geld anderer Leute um, nicht nur an der Wall Street und in Kärnten. Aber trotz pessimistischer Zwischenrufe gibt es Kärnten und Österreich und Österreich noch immer. Wo steht dieses Blatt heute?

Zumindest für seinen Eigentümer bringt es offenbar Gewinn. Die verkaufte Auflage (laut ÖAK 2014) ist mit weniger als 50.000 zwar bescheiden, kleiner sogar noch als zum Beispiel die des Standard, beim Verschleudern aber erweist sich Fellner noch kühner als sein Vorbild in den USA. Circa das Zehnfache des verkauften Buntpapiers wird täglich für nix unter die Leute gebracht. Auch das hat allerdings seinen Preis. Damit sind wir beim Geschäftsmodell, von Kritikern als „Fellnerismus“ bezeichnet (© Armin Thurnher). Es ist im Boulevard stark, in milderer Form inzwischen auch in den meisten anderen Blättern verbreitet. Selbst Experten fällt es schwer, bei Österreich zwischen Werbungen, Kooperationen, Abo-Keilereien und redaktionellen Berichten über diverse Produkte zu unterscheiden. Es zählen nicht „Fakten, Fakten, Fakten“, im Zweifel wird immer an die Großkunden gedacht. Die Leser und die Seriosität sind ohnehin sekundär. Wie sonst könnte es sein, dass zum Beispiel ein Interview mit dem Star-Journalisten Hugo Portisch erscheint, zu dem dieser glaubhaft versichert, dass er keines gegeben habe? Da kann es auch passieren, dass bei Österreich ein Popstar aufgetreten ist, obwohl die Sendung mit ihm abgesagt wurde.

Vorrangiges Interesse solcher Zeitungsmacher hat auch die Pflege ausgesuchter Politiker. Besonders im letzten Jahrzehnt haben einige von ihnen den Boulevard durch die öffentliche Hand großzügig unterstützt. Insgesamt flossen so über die Jahre viele hundert Millionen Euro zu Kronen Zeitung, Heute und Österreich. Man kann bereits ahnen, wie sich dieses Werbeaufkommen entwickelt, wenn Fellner demnächst tatsächlich TV in all seinen neuen Mischformen machen wird.


Serienweise Kanzlerkommentare. Wir wollen aber nicht kleinlich sein zum Deka-Jubiläum. Was sind die Tugenden des Jubilars? Zum Beispiel sein Mut zur Realitätsverweigerung. Der Herausgeber von Österreich zeigt noch Bündnistreue zu Geschäftspartnern, wenn die Sache längst verloren scheint. In der finalen Woche vor dem Abgang von Bundeskanzler Werner Faymann schrieb Fellner serienweise Kommentare, wie unersetzlich sein langjähriger Du-Freund für die SPÖ sei. Dieses Vertrauen muss sich der neue Kanzler erst erarbeiten.

Jede Kolportage braucht einen versöhnlichen Schluss. Was macht Fellner sympathisch? Eine fast private Homestory, die vielleicht stimmen kann: Es muss das letzte Kanzlerfest Alfred Gusenbauers vor der Machtübernahme der Faymann-Partie gewesen sein. Was sich für prominent hielt, kam in den Park. Plötzlich ein Gerücht: Die Lebensgefährtin des Kanzlers habe den Chef von Österreich des Hauses verwiesen. Ein Aufsteiger öffentlich blamiert! Der Mediator kann es nicht bestätigen. Was er sah: einen gebückten, um Haltung ringenden Mann, der noch ein wenig lustwandelte, um rasch abzutauchen. Da wirkte er wie Richard III. vor Bosworth. Fast konnte er einem leidtun.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2016)

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