Die Parteichefs und ihre folgsamen Jünger

Drei Stile für den Wahlkampf in Rot, Türkis und Blau. Die Homepages von SPÖ, ÖVP und FPÖ sollen mobilisieren.
Drei Stile für den Wahlkampf in Rot, Türkis und Blau. Die Homepages von SPÖ, ÖVP und FPÖ sollen mobilisieren.Screenshots
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Wie präsentieren sich SPÖ, ÖVP und FPÖ auf ihren Homepages im Intensivwahlkampf? Krasse Unterschiede: Christian Kern setzt auf Kleinteiliges, Sebastian Kurz auf Plakatives und Heinz-Christian Strache auf ein rustikales Erscheinungsbild.

In vier Wochen wird Österreichs Nationalrat gewählt. Das ist ein Wimpernschlag nur im Vergleich zu der gefühlten Zeit des bisherigen Wahlkampfs, der schon seit Jahren zu laufen scheint. Seit Wochen sind Bundespolitiker bei TV-Diskussionen und im Radio dauerpräsent. Man wundert sich, wann die noch Zeit finden, auf die Ochsentour durchs Land zu gehen oder gar zu regieren. Viel bequemer ist es, die Parteien auf ihren offiziellen Homepages zu verfolgen. Dieses Wochenende habe ich mir die „großen drei“ vorgenommen, die sich angeblich noch Kanzlerhoffnungen machen. Wie nutzen sie die neuen Medien, die US-Präsident Donald Trump im Vorjahr so effizient bediente?

Brav, ja bürgerlich bieder, erscheint Christian Kern auf www.spoe.at. Im Banner ist er meist auf Gruppenfotos zu sehen, jubelnde Granden, ergriffenes Volk, dem er die Hand schüttelt. Dazu der Slogan: „Veränderung mit Verantwortung.“ Staatstragender geht es nicht. Der kecke Klassenkämpferspruch „Hol dir, was dir zusteht!“, der auch gut zu Managern passt, scheint inzwischen gut versteckt zu sein. Rasch wird es auf der SPÖ-Homepage dann kleinteilig. „Österreich entlasten – aber gerecht“ wird von einem winzigen Kanzlerbild flankiert. „Kern präsentiert Steuerkonzept.“ Darunter die Botschaft, dass „alle Frauen vom Aufschwung profitieren“ sollen. Und auf Rang drei wird noch eine Mehrheit bedient: „SPÖ ist die Kraft, die auf die Pensionisten schaut.“ Als Berater Tal Silberstein beim Sprücheklopfen mitwirkte, war die Kampagne spritziger.


Klassische Medien „bypassen“. Und die ÖVP? Pardon, „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“? Hält sie sich an das Konzept, das die „Kronen Zeitung“ enthüllt hat? Angeblich sollen die Parteisoldaten dazu angehalten worden sein, wenig Inhalt zu verraten, mehr auf Stil zu setzen. „Klassische Medien bypassen“ lautet eine weitere Devise. Der Wahlkampf solle auf eine Person zugespitzt werden, die stets von Jüngern (und wohl auch Jüngerinnen) umgeben ist. Auf www.oevp.at wird suggeriert: Alles wahr. Geniale Simplizität. Macht man die Homepage auf, sind auf türkis-weißem Grund fünf Wörter zu lesen: In einem Balken ganz oben kann man „spenden“ und „unterstützen“ anklicken, darunter steht in großen Lettern eine Botschaft: „Die neue Volkspartei“. Kein Bild? Ich scrolle weiter: „Der neue Weg“, „Für Österreich“, „Neue Gerechtigkeit & Verantwortung“, „Aufbruch und Wohlstand“. Als Schmuckbild ist ein Güterweg in den Alpen unterlegt, gesäumt von saftigen Wiesen. Kurz und gut, wir haben verstanden: Alles wird neu. Aber wo bleibt der Chef? Sebastian Kurz sieht in der Sequenz darunter groß und versonnen nach rechts in die Ferne, trägt einen blauen Anzug, ein offenes, helles Hemd. „Tun, was richtig ist“, lautet der Auftrag, wieder gesäumt von Appellen: „Jetzt unterstützen!“, „Mach mit!“ Auf diese Weise kann man natürlich jede lästige Frage nach Zahlen und Fakten „bypassen“. Man möchte meinen, ein Jünger habe vom Briten Tony Blair gelernt, wie man auf bürgerlich-konservative Art „New Labour“ neu erfindet. Respekt! Diese Homepage hat Stil.


Blauer Filmstar. Den braucht der Dritte im Bunde der möglichen Koalitionspartner nicht zu haben. Die Internet-Seite der Blauen pflegt ein rustikales Erscheinungsbild. Auf www.fpoe.at blickt Parteichef HC Strache noch versonnener als Kurz aus einem Banner. Darunter gibt es Aktuelles von der „Fairnesstour 2017“. Das FPÖ-TV ist immer dabei und oft auch live, wenn der Boss spricht. Die auffälligste Botschaft: „Österreicher verdienen Fairness statt Stillstand, Streit und falscher Versprechen.“ Das ist genug an schriftlicher Fixierung für die „soziale Heimatpartei“. Parteiprogramm und Parteihierarchie sind eher versteckt, die Homepage wird dominiert von Videoclips mit Strache als rettendem Helden. Es geht um Scheidung, Gehalt, Scharlatan-Kunst, Homo-Ehe oder Erbschaftssteuer? Der blaue Retter mischt sich verlässlich ein und verspricht: „Ich sage es für euch.“ Damit es alle verstehen, gibt es noch die abenteuerliche Mini-Sitcom „Die Hubers“, in deren Eigenheim scharenweise Wirtschaftsflüchtlinge eingebrochen sind.

Was eint die drei? Der Wunsch nach Veränderung. Ein Aufbruch muss her! Alles soll neu werden. Weg mit dem Stillstand! Aber bitte mit Verantwortung, ohne falsche Versprechen!

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2017)

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