Wie professionell ist der Österreichische Rundfunk?

Bei Society und Soap mag es derzeit Führungsschwächen geben, aber im Marionettentheater ist der ORF unschlagbar.

Die ZiB geht mit der Zeit. Demnächst wird es in den TV-Nachrichtensendungen des ORF Laienjournalisten geben, die als Videoreporter Geschichten und vor allem Bilder zuliefern. Mit Verlaub: War das nicht auch bisher der Fall? Immerhin ist Journalismus ein freier Beruf, der keine Qualifikation erfordert. Und welcher Volontär erinnert sich nicht mit Wehmut an seine erste, dilettantische Reportage, zu der er ausgesandt wurde, um über Schanigärten zu berichten oder einem Politiker ein Mikrofon unter die Nase zu halten. Ich meine, der ORF hat vor allem bei Diskussionen im Zusammenspiel von Experten aus den Parteien und Laien aus dem Haus eine eigene Sendeform kreiert. Und wenn der Generaldirektor höchstpersönlich dafür sorgt, dass bei erfolglosem Society-Schmarren wie „Chili“ oder Soaps wie „Mitten im 8en“ Millionen verbraten werden, dann signalisiert uns Alexander Wrabetz: Der größte Laie ist immer noch der Chef.


Dilettantenstadl. Nun aber gibt es Konkurrenz für den General im eigenen Haus. Die Wahl der roten Stiftungsrätin Brigitte Kulovits-Rupp zur Vorsitzenden war nicht nur eine Seifenoper, sondern ein Hohelied auf den Dilettantismus. Die Arbeiterkämmerin aus dem Burgenland gibt zu, dass sie wenig Ahnung von Betriebswirtschaft hat. Ist das aber die richtige Voraussetzung, um den Aufsichtsrat eines Großunternehmens zu leiten? Selbstverständlich! In einem Land, in dem zum Beispiel ein ehemaliger Journalist vom Kofferträger eines Staatssekretärs zum Lehrling im Vorstand des Verbunds mutiert, um schließlich in einem großkoalitionären Gesellenstück mit dem Chefposten der maroden ÖBB versorgt zu werden, ist es vollkommen unerheblich, wer den ORF-Stadl leitet und beaufsichtigt.

Hauptsache die Parteifarben stimmen. Wie sich Rot und Schwarz derzeit die Macht im ORF aufteilen, ist nämlich nicht laienhaft. Die Wahl im Stiftungsrat war höchst professionelles Marionettentheater. Die wirklich Mächtigen an der größten Medienorgel des Landes sind politische Profipuppenspieler wie Karlheinz Kopf (ÖVP) oder Josef Ostermayer (SPÖ). Die schauen darauf, dass der ORF für die Parteien nicht stiften geht, sondern handzahm bleibt. Dazu haben sie ihre Freundeskreisleiter im Stiftungsrat, den 23-jährigen Neuling Nikolaus Pelinka (SPÖ) und den 51-jährigen Juristen Franz Medwenitsch (ÖVP). Frau Kulovits-Rupp, die in ihrer Jugend bei einem frechen Jugendmagazin gearbeitet hat, wird also bald wissen, ob es auf dem Küniglberg „ohne Maulkorb“ geht.

norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2010)

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