Mit gepuderter Perücke in den Freiheitskampf

Paul Giamatti als John Adams
Paul Giamatti als John Adams(c) AP (Buddy Norris)
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Noch ein Kostümdrama im TV: Diesmal reüssiert Paul Giamatti als zweiter US-Präsident John Adams.

Der Blick in die Vergangenheit hat wieder Konjunktur im Fernsehen. Zuerst nahmen uns die TV-Produzenten mit in die verrauchten Büros der New Yorker Werber aus den 1960er-Jahren („Mad Men“), seit Kurzem dürfen wir in die (nicht weniger verrauchten) Salons des britischen Adels aus dem frühen 20. Jahrhundert blinzeln („Downton Abbey“). Und gerade überraschte die Familiensaga „Hotel Adlon“ mit gigantischen Fernsehquoten.

Gut 100 Jahre weiter zurück blickt die Serie „John Adams“. Dabei ist sie nicht Reaktion auf das anhaltende Interesse an historischen Stoffen, sondern eher Wegbereiter dieser Entwicklung. „John Adams“ war nämlich zuerst da, zumindest vor „Downton Abbey“. Schon im Frühjahr 2008 zeigte der Kabelsender HBO die siebenteilige Miniserie, die Tom Hanks mitproduzierte. Die Preise – vier Golden Globes, 13 Emmys – ließen nicht lange auf sich warten. Historischer Stoff, der den Amerikanern nebenbei eine Auffrischung in Landeskunde gibt, wird von jeder Filmpreisjury anerkannt.

An der Wiege des demokratischen Amerika

„John Adams“ erzählt die ersten 50 Jahre der Vereinigten Staaten. Im Zentrum steht das Leben des gleichnamigen zweiten Präsidenten der USA (1797–1801). Auch sonst tummeln sich allerhand Zeitgenossen mit gepuderter Perücke, Dreispitz und in hautengen Hosen; etwa Adams' Vorgänger George Washington und sein Nachfolger Thomas Jefferson. Beim Zweiten Kontinentalkongress in Philadelphia, an dem 13 Kolonien Nordamerikas den Aufstand gegen die Großmacht Großbritannien beschließen, scheitert Adams als besonnener Schlichter. Sein Berater Benjamin Franklin (Tom Wilkinson) rät ihm, die Stadt zu verlassen und anderswo Verbündete zu suchen: „Du bist ein Gast in Philadelphia. Fische und Gäste beginnen nach drei Tagen zu stinken.“

Die Serie beginnt in jener strengen Winternacht 1770, in der es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommt, die die Amerikaner später propagandistisch „Boston Massaker“ bezeichnen – und die bis heute als Auslöser für den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gilt: Bei einem Streit schießt ein britischer Soldat in die Menge und tötet vier amerikanische Kolonisten. John Adams, junger Jurist mit hervorragendem Ruf, wird vom verantwortlichen Offizier um Rechtsbeistand vor Gericht gebeten. Adams, eigentlich aus antibritischem Umfeld, aber Verfechter der Gleichberechtigung (heute würde man vermutlich Gutmensch zu ihm sagen) nimmt das Mandat an und erzielt einen Freispruch.

Hauptdarsteller Paul Giamatti, bekannt als Weinliebhaber Miles aus „Sideways“, hat nicht viel zu lachen in dieser Rolle, denn sein John Adams ist zu sehr mit den Kinderkrankheiten der jungen Demokratie Amerika beschäftigt. Rückhalt und geistige Auseinandersetzung bekommt er von Ehefrau Abigail (Laura Linney) – so ist „John Adams“ nicht nur Nacherzählung amerikanischer Geschichte (nicht ohne einige historische Ungenauigkeiten), sondern auch einer berühmten und langen (54 Jahre!) Ehe.

„John Adams“ ist solide Geschichtsunterhaltung ohne Ecken und Kanten. Wer sie ansieht (ab 13.1., 21 h, Sky Atlantic, Zweikanalton), sollte dies auf Englisch tun: Der Konflikt zwischen Briten und Nordamerikanern wird durch die stark gezeichneten Akzentunterschiede der Schauspieler zusätzlich betont.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2013)

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