"Tatort" mit rosa Fußfesseln und liebeshungrigen Mittvierzigern

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Der „Tatort“ im „Presse“-Check: In „Frühstück für immer“ sind die Leipziger Ermittler einem Fesselmörder auf der Spur. Ein komplexer Psychokrimi über die Macht der Begierde.

Worum geht's?

Bei einer Ü40-Party (für über Vierzigjährige) hat sich Julia Marschner mit ihren Freundinnen noch köstlich amüsiert, am nächsten Morgen wird sie erdrosselt mit einer Fußfessel in der Vagina aufgefunden. Die Kommissare Saalfeld und Keppler erinnert der Fall stark an den „Würger von Mockau Ost", der sein Opfer vor einigen Jahren genauso im selben Park zurückgelassen hat. Nur ist der seitdem im Gefängnis - ein überzeugendes Alibi. Im Kreuzverhör stehen nun Mike, der Verlobte von Julias Tochter, den sie anscheinend nie mochte, ein anzüglicher Flirt-Trainer (Motto: „Hokus Pokus Koitus") und der unheimliche Schönheitschirurg Dr. Hauptmann, der in seinem Apartment ein beschauliches Sortiment an Fesselspielzeug hortet.

Wer ermittelt?

Die unnahbare Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und der stoische Andreas Keppler (Martin Wuttke) ermitteln zum 19. Mal in Leipzig. Übrigens nicht mehr lange: Zwei Folgen soll es mit dem Ex-Paar, zwischen dem es heute höchstens subtil knistert, noch geben, dann wird das Leipziger Kommissariat neu besetzt.

Wird's brutal?

Nein. Zumindest überrascht dieser „Tatort" nicht mit Verfolgungsjagden, herzanhaltenden Schrecksekunden, Blut oder Schießereien. Auch Peitschen und das rosa Fesselgeschirr sorgen nicht wirklich für Gewaltexzesse. Vielmehr ist „Frühstück für immer" ein Psychokrimi, der versucht, die Tiefen der menschlichen Seele auszuloten.

Worum geht's eigentlich?

Im Kern steht eine Runde verzweifelter Mittvierzigerinnen, die in ihrem Kampf gegen das Altwerden jedem halbwegs attraktiven Fremden die Schlafzimmertür öffnen. Wenn man damit nur die biologische Uhr aufhalten könnte! In der Sehnsucht nach einem Mann, der länger als für ein Frühstück bleibt, deckt man dann schon einmal einen Verdächtigen oder verdreht das ein oder andere Alibi. Den Ermittlern hilft das wenig, die Liste potenzieller Täter wächst eher, als zu schrumpfen. Ermittler Keppler siehts nüchtern: „Das Ausnutzen liebeshungriger Frauen mittleren Alters ist ja noch kein Straftatbestand. Leider".

Was macht diesen „Tatort" besonders?

Kaum ein Verdächtiger, der sich im Kreuzverhör der Ermittler nicht in Widersprüche verstrickt. Und kaum ein Beteiligter, der nicht im Laufe des Falls zum Verdächtigen wird. Das Ermittlerduo tritt dabei eher in den Hintergrund. Die Moral: Die menschliche Psyche ist komplex, die Macht der Begierde stark. Eine durchdachte Geschichte - mit Gänsehaut, fesselnder Spannung oder genialen Dialogen kann dieser Tatort aber nicht dienen.

Wer soll es sich ansehen?

Freunde von Desperate-Housewives-Dramatik, Krimifans mit einer Vorliebe zu "Shades of Grey"-Andeutungen, Liebhaber der guten alten Ermittlerschule (Verhöre, Verhöre, Verhöre!). Wer diesmal nicht einschaltet, versäumt nichts Herausragendes.

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