"Tatort" im "Presse"-Check: "Kaltstart" mit Wotan Wilke Möhring und Petra Schmidt-Schaller ist ehrgeizig und besticht vor allem durch die Figuren.
Worum geht's?
Den titelgebenden "Kaltstart" erlebt das Ermittler-Duo Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) im neuen NDR-"Tatort" beim Wechsel von Kriminal- zur Bundespolizei. In Wilhelmshaven geht eine Polizeiaktion schief, der gesuchte Schlepper stirbt bei einer Explosion - ebenso wie zwei Polizisten. Durch den Mord müssen Falke (als Ermittlungsgruppenleiter) und Lorenz ihre neuen Jobs früher antreten als geplant. Noch dazu hat der Fall eine persönliche Note: Mit der getöteten Polizistin hatte Falke ein Verhältnis. Die Spur zu ihrem Mörder führt zu einer weitgreifenden Verschwörung aus Menschenhändlern, Passfälschern, afrikanischen Warlords und allwissenden Waffenproduzenten. Während Falke zu Beginn den Wechsel noch mit "schnellere Autos und bessere Waffen" begrüßt, ist Lorenz bald desillusioniert: "Das hier ist also die Bundespolizei. Verzweifelte Flüchtlinge verhaften und zurückschicken."
Wer ermittelt?
Erst zum dritten Mal ermitteln Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) gemeinsam und erst langsam bricht das Eis zwischen der kühlen, rationalen Aufsteigerin und dem kantigen, bärbeißigen Hacklersohn. Die Figuren und die menschlichen Zwischentöne sind das Beste an "Kaltstart": Die stille Bewunderung zwischen den Kollegen wider Willen. Der Versuch, dem besten Freund eine Liebschaft zu erklären. Der Neue, in dem man einen Rassisten vermutet, der aber doch nur trauert. Und der Erstverdächtige, ein harmloser Verlierer mit Schuss (Andreas Patton, erst jüngst auch in "Borowksi und das Meer").
Was gefällt?
Im Auto hört Falke The Clash, als Klingelton hat er "Sympathy for the Devil" von den Rolling Stones und auf "Chef" reagiert der frisch Beförderte noch nicht. Wer den herben Charme des Norddeutschen mag, ist hier gut aufgehoben. Die Kulisse beeindruckt: Der gescheiterte, halbleer Frachtcontainerhafen im Regen, eine postmoderne Idylle. Hier findet das Duo, die Bürgerliche und der Punk, (erstmals) zu sich selbst.
Wo hakt's?
Asyl und Überwachung, Waffen und Wirtschaftskrise: Der Fall ist ehrgeizig gebaut, schneidet viele Themen an - und driftet trotzdem, das ist unheimlich, nicht ins völlig Unglaubwürdige ab. Die ständige Beobachtung des omnipräsenten Feindes in grün getönten Überwachungsbildern haben wir allerdings schon zu oft gesehen.
Österreich-Faktor
Der Song, den Falke von seiner getöteten Geliebten geschickt bekommen hat, ist "Goodbye", eine Collaboration des deutschen Musikers Apparat mit der österreichischen Songwriterin Soap&Skin. Hört man genau hin, hat auch einer der Bösewichte Akzent, ihn spielt der Grazer Christoph Luser. Regie führte Marvin Kren, der mit seinem Zombie-Thriller "Rammbock" und dem Horrorfilm "Blutgletscher" dies- und jenseits der Grenze Lorbeer erntete.