"Tatort" München: Der unfreie Araber

Tatort
Tatort(c) ORF (Heike Ulrich)
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Leitmayr und Batic finden im Auto eines arabischen Prinzen einen Toten und stolpern durch das Minenfeld der hohen Diplomatie. Klischees gibt es zuhauf.

Worum geht’s in "Wüstensohn"?

Am Anfang dieser "Tatort"-Folger braust ein weißer Lamborghini durch München, deutlich schneller als erlaubt. Als die Polizei ihn stoppt, findet sie einen Toten auf seiner Beifahrerseite. Die Ermittler Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) werden schnell in die Schranken gewiesen: Das Fahrzeug gehört Nasir al Yasaf, dem fünften Sohn des Emir von Kumar, der diplomatische Immunität genießt. Batic und Leitmayr sind auf die Kooperationsbereitschaft des kumarischen Konsuls (Samir Fuchs) und des Prinzen angewiesen – und der denkt nicht daran, ihnen mehr Auskunft zu geben als nötig. Nur gut, dass Batic den jungen Prinzen (trotz rassistischer Äußerungen) zu beeindrucken weiß. Denn auch Prinz Nasir hat Interesse an der Aufklärung des Falles: Der Tote war sein bester Freund, sein "Bruder", mit der er nicht nur Haus und Partyleben teilte, sondern auch die Liebe zur deutschen Studentin Michaela.

Wer ermittelt?

Die Münchner Schi­cki­mi­cki-Szene samt ihren diplomatischen und politischen Verstrickungen bildet den optimalen Hintergrund für Batic und Leitmayr: Hier können sie ihre Rollen als rebellische Underdogs richtig ausspielen. Zuzusehen, wie die beiden den Reichen reinpfuschen, ist durchaus befriedigend.

Was gefällt und wo hakt's?

Steinreiche junge Araber mit Diplomatenstatus, die kiloweise Kokain schnupfen und mit Waffen rumfuchteln, eine Teppichhandlung, hinter deren hübscher Fassade unsaubere Geschäft laufen: "Wüstensohn" spart nicht mit Klischees – vor allem nicht in der Figur des Prinzen. Dass der so gastfreundliche wie arrogante und heißblütige Twen nicht nur unsympathisch wirkt, sondern manchmal gar bemitleidenswert, ist eine Leistung des Stuttgarter Schauspielers Yasin el Harrouk, der hier sein "Tatort"-Debüt gibt.

Als Vorlage für den "Wüstensohn" diente angeblich Saif al-Arab al-Gaddafi, Lieblingssohn des libyischen Ex-Diktators Muammar al-Gaddafi, der in München studierte und das PArtyleben genoss. Bekanntlich pflegte er auch in Österreich Freundschaften. Auch ein paar Anleihen am "Paten" lassen sich entdecken: Ein junger Mann wünscht sich Freiheit und muss sich doch dem Wunsch des (Über-)vaters beugen.

Bis auf eine bollywoodeske Szene, über die wir hier nichts Näheres verraten, ist der "Tatort" stimmig, bis hin zum "orientalischen" Soundtrack. Wilson Gonzales Ochsenknecht als Dealerfreund Henk ist indes eher eine lauwarme Erscheinung.

Österreich-Faktor:

Im Vorgarten des Prinzen treffen Batic und Leitmayr auf ein Kamel. Nur eines? "Die beiden anderen sind zum Besamen in Wien", klärt der Prinz auf. Leitmayer weiß: "Wien. Die Stadt der Liebe."

Wird's brutal?

Beängstigend ist eher die Androhung von Gewalt. Etwa, wenn einem schwuler Blogger mit nur einem Blick angedroht wird, in den absolutistisch regierten Wüstenstaat abgeschoben zu werden, in dem die Scharia gilt.

Unsere Wertung:

4 von 5 Punkten für einen düsteren, spannenden Fall, der den Klischees zwar nicht entkommt, sie aber für sich zu nutzen weiß.

Wann?

Sonntag, 14. September, 20.15 Uhr, ORF2 und ARD

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