„Tatort“ Berlin: Ein parapsychologischer Thriller

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In „Vielleicht“ träumt eine junge Frau von Verbrechen, die Mordkommission will sie verhindern. Kommissar Starks letzter Fall im „Presse“-Check.

Unsere "Tatort"-Wertung

4 von 5 Punkten

Worum geht’s in "Vielleicht"?

"Vor drei Wochen habe ich Lisa kennen gelernt", sagt Trude Bruun Thorvaldsen, die norwegische Studentin mit den durchdringenden blauen Augen, den Berliner Ermittlern. "Seitdem träume ich, dass Lisa ermordet wird. Von einem Mann mit Latzhose." Den Damen und Herren von der Mordkommission kommt das nicht allzu ungewöhnlich vor, Spinner kommen immer wieder. Als wenige Wochen später tatsächlich eine Studentin namens Lisa sexuell missbraucht und erwürgt wird – wie hindrapiert wird sie tot im eigenen Bett aufgefunden –, wird Kommissar Felix Stark stutzig. Er macht sich auf die Suche nach dem Latzhosen-Mann. Trude träumt indessen von weiteren Morden. Und Stark will sie diesmal nicht geschehen lassen.

Wer ermittelt?

Zum letzten Mal will Kriminalhauptkommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) einen Mordfall (und einige noch nicht geschehene) aufklären. Nachdem das Berliner Duo Ritter & Stark bereits im Februar auf die Hälfte reduziert wurde, soll im Frühjahr 2015 die erste Folge mit dem neuen Berliner Ermittler-Team um Meret Becker und Mark Waschke gesendet werden. Zum Abschied sehen wir ihn nun nachts Phantombilder nach Trudes Vorhersagen in seinen Skizzenblock kritzeln (Aljinovic, der nebenbei Comics und Karikaturen zeichnet, legte selbst den Stift an) und tagsüber per Fahrrad nach zukünftigen Tatorten suchen. Sein letzter Fall geht ihm richtig an die Nieren: Erst macht er sich Vorwürfe, den von Trude angedeuteten Mord nicht ernst genommen zu haben. Dann taucht er selbst in ihren Visionen auf, eine unbehagliche Vorstellung.

Was gefällt?

Die Mordkommission traut sich an eine neue Ermittlungstaktik heran, Träume und Visionen werden in den Katalog ernstzunehmender Hinweise aufgenommen. Warum immer nur geschehene Verbrechen aufklären, wenn man neue verhindern kann? Das schiebt diesen "Tatort" aber keinesfalls in die Esoterik-Ecke. Die Ermittler nehmen die Hinweise der mysteriösen Norwegerin (Lise Risom Olsen in ihrer ersten deutschsprachigen Hauptrolle) mit gesunder Skepsis ernst, diese kämpft schon genug mit der Verantwortungslast, schreckliche Dinge zu sehen – oder gar zu verursachen. Sie wird also gehörig psychologisch durchleuchtet, in Whiteboard-Skizzen versucht man, Einblick in das System hinter ihren Schreckensvisionen zu bekommen. Irgendwie muss die Information doch in ihren Traum kommen! Dass da nicht alles logisch erklärbar ist, tut der Spannung keinen Abbruch – im Gegenteil. Schließlich bangt man als Zuseher um den Kommissar, der in das Vorhergesagte eingreift, um seine eigenen Haut zu retten. Dieser stille, unaufgeregte "Tatort" wandert geschickt am Grat zwischen klassischer Ermittlerkunst und der Zerrissenheit, die entsteht, wenn etwas einmal nicht vollständig aufzuklären ist.

Wo hakt's?

Das Studentenmilieu, in dem sich Trude und ihr Umfeld bewegen, ist wohl allzu klischeehaft gezeichnet – da ist nicht nur jede Studenten-WG spärlich möbliert, sondern auch gleich das ganze Stiegenhaus mit Graffiti beschmiert. Mit einem rothaarigen Hauptverdächtigen, der sich beim Ausspähen seiner Opfer hinter einer Zeitung versteckt und dazu die Miene eines Psychopathen trägt, haben die Macher auch tief in die Kiste der vorgefertigten Bösewichte gegriffen. Das sind jedoch Kleinigkeiten in Anbetracht des Kribbelns, das dieser "Tatort" einem unter die Haut injiziert. Das Ende schreit übrigens nach einer Fortsetzung – auf den nächsten Berliner Fall mit dem neuen Ermittlerteam darf man also gespannt sein.

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