„Mein Leben“ (Arte): Kurz und kitschig

(c) AP Photo (Hermann J. Knippertz)
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Die Verfilmung des Lebens von Marcel Reich-Ranicki deckt nicht einmal das halbe Leben, sondern gerade mal ein Jahrzehnt ab. Von einem ungeduldigen Reich-Ranicki ist wenig zu sehen.

Marcel Reich-Ranicki hat den Film gelobt. Was soll man da also noch hinzufügen. Wenn einer der strengsten Literaturkritiker Deutschlands, der sich erst im Vorjahr laut und lange über die Verblödung des Fernsehens (live im Fernsehen) aufregen durfte, ein gutes halbes Jahr später die Verfilmung seines Lebens als „fabelhaft“ empfindet? 

Man könnte sich dem anschließen und schweigen. Oder aber man sagt, was man sich selbst beim Ansehen gedacht hat: Der Film war bei weitem nicht fabelhaft. Das beginnt schon einmal bei der Tatsache, dass die neunzig minütige Fernsehproduktion (die am Freitag zuerst Arte ausstrahlte, jener Sender, den Reich-Ranicki als einzigen lobte, und am Mittwoch auch in der ARD zu sehen sein wird) nicht einmal das halbe Leben Reich-Ranickis abdeckt, sondern gerade mal ein Jahrzehnt. 

Erstaunlich, so hat doch Regisseur Dror Zahavi Reich-Ranickis eigene Autobiografie „Mein Leben“ (der Titel impliziert das ganze) als Vorlage hergenommen. Und er tat grundsätzlich ja nicht schlecht daran: denn erstens macht er damit alles korrekt oder zumindest genau so wie es der Porträtierte beschrieben hat (deshalb das Lob) und zweitens war Reich-Ranicki, der in einem Jahr bereits seinen 90er begeht, mit seiner Autobiografie 1999 ziemlich erfolgreich (Erfolg wünscht sich mit Sicherheit auch der Regisseur). Im Film jedenfalls geht es um die Jahre zwischen 1949 und 1958, in denen Reich-Ranicki (gespielt von Matthias Schweighöfer) in Polen für einige Wochen inhaftiert wird und danach mit seiner Frau Teofila (Katharina Schüttler) in der eigentlichen Heimat Polen überleben muss. Der Film endet mit der endgültigen Übersiedlung nach Frankfurt. In der Abschlussszene sieht man den jungen, damals 38-jährigen Reich-Ranicki ins Verlagsgebäude der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gehen. Für die „FAZ“ schreibt er noch heute. Alles in allem erzählt der Film brav und anhand von Rückblenden von der Kindheit Reich-Ranickis und der Zeit im Warschauer Ghetto und der Flucht von dort. Schauspieler Schweighöfer legt die Hauptrolle ohne irgendeine erkennbare Nähe zum echten Reich-Ranicki an, vor allem aber ohne dessen charakteristischen Akzent und S-Fehler. Was vermutlich auch besser so ist, eine Eins zu Eins-Kopie seiner unverwechselbaren Sprache und Sprechweise (so wie das unlängst Heike Makatsch bei Hildegard Knef versuchte) hätte nämlich arg ins Auge gehen können. Andererseits muss man sich so als Zuseher immer wieder daran erinnern, dass aus diesem jungen, beinahe schüchternen und zurückhaltenden Mann einmal der rundliche, laute, ungeduldige Polterer des deutschen Literaturbetriebs wird, der er bis heute ist. Einzig die runde Brille erinnert an den echten Marcel Reich-Ranicki. Dafür schafft es Katharina Schüttler Reich-Ranickis Frau Teofila, die in der Öffentlichkeit stets weit hinter Marcel stand, sehr vielschichtig und feinsinnig zu verkörpern. Aber dann ist da noch diese Musik. Den ganzen Film über, auch wenn die Kamera das Warschauer Ghetto längst verlassen hat, legt sich die bedeutungsschwere Musik über die Szenen. Das wirkt wie eine gewollte Portion Hollywood-Kitsch, die man dem Film zum Schluss noch geben wollte.

In dem auf Arte im Anschluss gezeigten Reich-Ranicki-Porträt von Diane von Wrede, das zwar schon aus dem Jahr 2004 stammt, kommt der nörgelnde, ungeduldige und vor allem eitle Reich-Ranicki viel stärker durch. Was naturgemäß schon an dem Format, der Dokumentation, liegt, die dem Zuseher erlaubt den echten Reich-Ranicki im Alltag zu begleiten. Man sieht ihn auf dem Weg in das neue „FAZ“-Gebäude, in seinem Büro (natürlich ohne Computer) und beim Diktat mit seiner Sekretärin, „Frau Müller“. Zu Mittag ist er oft in seinem Stammlokal, dem „Charlot“: „Ich esse meistens Fisch“, sagt er. Dazwischen erzählt er von seinen Eltern, von den Zerwürfnissen mit Sigrid Löffler (die er in einem „Literarischen Quartett“ bei der Diskussion über Haruki Murakamis Buch „Gefährliche Geliebte“ mit persönlichen Äußerungen schwer beleidigte), Martin Walser (der einen ganzen Roman gegen Reich-Ranicki schrieb) und Günter Grass, und immer wieder: über sich. Er sei „ungeduldig. Und das ist keine Alterserscheinung. Vor 50 Jahren war das genauso.“ Vor exakt 50 Jahren spielt das Fernsehspiel „Mein Leben“. Von einem ungeduldigen Reich-Ranicki ist wenig zu sehen. Und das ist bei Gott nicht das einzige Manko.

Der Film wird am Mittwoch, 15. April um 20.15 Uhr auf ARD gezeigt.

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